76. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Hamburg - Kiel - Lübeck, 3. bis 7. September 2003

Praxis-Depesche 22/2003

Aktuelles aus der Neurologie

Mit zahlreichen ausgebuchten Seminaren, Postersitzungen und Fortbildungskursen war auch der diesjährige DGN-Kongress sehr erfolgreich. Dank interdisziplinärer Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen wurden interessante Vorträge geboten.

Ein Großteil der Apoplexpatienten - vor allem in ländlichen Gegenden - müssen ortsnah in regionalen Krankenhäusern ohne Spezial-Stationen behandelt werden. Um auch ihnen optimale Versorgung bieten zu können, wurden in Süd-Ost-Bayern die Schlaganfall-Zentren der Neurologischen Abteilung des Krankenhauses München-Harlaching und der Klinik für Neurologie der Universität Regensburg in einem Netzwerk mit zwölf regionalen Krankenhäusern verbunden. In diesen gibt es Schlaganfall-Stationen mit überwachten Betten. Dort werden die Patienten von "Stroke-Teams" betreut, die hinsichtlich der Behandlung auf dem neuesten Stand sind. 24 Stunden lang können sie telemedizinisch Kontakt mit den Zentren aufnehmen. Per fernsteuerbarer Kamera kann ein Patient telemedizinisch untersucht werden, dank einer Direktleitung zum regionalen CT auch mit Zugriff auf die Daten der Bildgebung. Vom 1. Februar bis zum 25. März 2003 wurden insgesamt 169 Patienten so behandelt, 56,2% von ihnen hatten einen zerebralen Insult. Bei 12,6% von ihnen wurde eine systemische Lyse durchgeführt; oft hätte die Transport-Zeit in eine Stroke-Unit diese Therapie nicht mehr erlaubt. Das MELAS-Syndrom Eine seltene Ursache früher Infarkte ist das MELAS-Syndrom (Myopathy, Encephalopathy, Lactic Acidosis und Stroke-like episodes). Es beruht meist auf einer Punktmutation der Mitochondrien-DNA. Bei voller Ausprägung kommt es neben Entwicklungsverzögerung zu Kleinwuchs, belastungsabhängiger Muskelschwäche, epileptischen Anfällen, Hypakusis, Demenz, migräneartigen Kopfschmerzen mit Erbrechen und Schlaganfall-ähnlichen Ereignissen. Seit Dezember 2001 wurden insgesamt 46 Patienten unter 45 Jahren mit neurologisch gesicherter TIA bzw. Infarkt im Media/Posteriorstromgebiet untersucht. Dabei fand sich ein Fall von MELAS-Mutation. Schlaganfallfolgen bei Kindern Bereits zu einem frühen Zeitpunkt ergeben sich deutliche Hinweise darauf, dass bei Kindern nach peri- und postnatalen linkshemisphärischen Schlaganfällen nicht nur Sprach- und Gedächtnisdefizite vorliegen. Auch die visuell-räumlichen Leistungen entwickeln sich nicht altersgerecht. Neben einer verzögerten Entwicklung sind auch die Vorläuferfähigkeiten von räumlich-konstruktiven Funktionen qualitativ beeinträchtigt. Verhaltensauffälligkeiten verschiedener Ausprägung werden beobachtet. Dies zeigen die ersten Daten eines Projekts zur Erfassung neuropsychologischer Langzeitfolgen nach Schlaganfällen im Kindes- und Jugendalter der Universität Bremen. Aufgenommen in das Projekt wurden Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren nach peri- und postnatalem Schlaganfall. Eine eindeutige neurologische Diagnose durch bildgebende Verfahren lag für alle Patienten vor. Heute wird es als sinnvoll erachtet, sich bei der Behandlung neuropathischer Schmerzen nicht auf die Grunderkrankung zu konzentrieren, sondern jede einzelne Schmerzform und folglerichtig jeden einzelnen Schmerzmechanismus isoliert anzugehen. Dieses Vorgehen wird als "Mechanismen-orientierte Therapie" bezeichnet. Kürzlich konnten erstmals genetische Unterschiede in der Schmerzempfindlichkeit bei Menschen aufgedeckt werden. In einer Zwillingsstudie zeigte sich, dass eine Veränderung im Morphinrezeptor (Polymorphismus im delta-Opioidrezeptor Subtyp 1 Gen, 80 T/T, T/G) mit einer unterschiedlichen Schmerzempfindlichkeit verbunden war. Mit diesem neuen Ansatz könnten sich neue Wege zur Therapie und Prophylaxe chronischer Schmerzerkrankungen entwickeln. Pharmakoresistenz bei Epilepsie Mehrere Arbeitsgruppen beschäftigen sich weltweit mit der Problematik, dass bestimmte Epilepsieformen trotz der Entwicklung neuer Antiepileptika pharmakoresistent sind. Die Forschung verfolgt dabei zwei Wege: So zeigen Untersuchungen zum einen, dass die Gene für Eiweiße vom Typ der sog. "Multiple Drug Transporter" bei Patienten mit pharmakoresistenter Epilepsie überexprimiert sind. Diese Eiweiße hindern die Antiepileptika möglicherweise daran, ihren Wirkort im ZNS zu erreichen, indem sie die Substanzen wieder aus dem ZNS hinausschleusen. Eine andere Erklärung für die Pharmakoresistenz liefern Untersuchungen bei Patienten: Neurophysiologische Untersuchungen an Hirngewebe, das im Rahmen epilepsiechirurgischer Eingriffe aus dem Eilepsieherd entnommen worden war zeigten, dass die üblichen elektrophysiologischen Effekte antikonvulsiver Substanzen z. B. auf den Natriumkanal nicht mehr vorhanden sind. Der Effekt des Medikamentes ist bei diesen Patienten abgeschwächt.

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