US-amerikanischer Kardiologenkongress ACC 2017

Praxis-Depesche 5/2017

KHK bei Jüngeren, PCI bei Älteren, ... und zwei Outcome-Marker

Ende März 2017 fand der Jahreskongress der US-amerikanischen Kardiologen in Washington D.C., USA, statt. Über 2500 Abstracts wurden als Vortrag, Poster oder in moderierten Postersessions präsentiert. „Die internationale Aufgabe der Kardiologenvereinigung ACC besteht darin“, so der letzte Kongresspräsident Dr. Richard A. Chazal, Florida, „die Last kardiovaskulärer Erkrankungen weltweit zu reduzieren.“ Um diese Mission zu unterstützen, haben wir hier einige aktuelle und praxisrelevante Informationen vom ACC 2017 zum Thema „akute und stabile KHK“ für Sie zusammengefasst.

KHK bei jüngeren Patienten
 
Typischerweise sind Patienten mit koronarer Herzerkrankung (KHK) über 50 Jahre alt. Allerdings können auch Jüngere betroffen sein. Da aber viele KHK-Studien Patienten unter 45 Jahre ausschließen, gibt es für sie gar nicht so viele Daten. Daher untersuchten Autoren aus Italien nun speziell KHK-Patienten, die 45 Jahre oder jünger waren, als sie ihr erstes akutes Koronarsyndrom (ACS) entwickelten. Die Daten der 14 931 Patienten wurden einem Register der Jahre 2010 bis 2016 entnommen (ISACS-TC). 1182 Patienten befanden sich im relevanten (jüngeren) Alter, konnten in die Auswertung eingeschlossen werden und wurden mit der älteren Kohorte verglichen. Koronarstenosen unter 50% wurden als irrelevant im Sinne der Studie gewertet.
ST-Hebungsinfarkte (STEMI) kamen bei Jüngeren häufiger vor als bei Älteren (68 vs. 59,6%) und stellten die häufigste Manifestation eines ACS dar. Unter-45-Jährige wiesen zudem häufiger irrelevante Stenosen (7,6 vs. 5,4%) und Eingefäßerkrankungen (67 vs. 52,5%) auf. Dreigefäßerkrankungen waren dementsprechend seltener. Rauchen war der wichtigste Risikofaktor bei Jüngeren (61,9 vs. 34,9%). Als Prädiktoren für ein 30-Tage-Überleben stellten sich heraus: Medikation bei Aufnahme, invasive Prozedur und Alter ≤45 Jahre – allerdings traf das nur auf Männer zu und nicht auf Frauen (Frauen wiesen generell ein schlechteres Outcome auf). Bei jüngeren Patienten ist ein ACS also weniger schwer, aber klinisch dramatischer.
 
PCI bei Älteren
 
Sollten Patienten mit einem Nicht-Hebungs- Infarkt (NSTEMI) mit über 80 Jahren eine perkutane koronare Intervention erhalten?
Das wurde bislang nur wenig untersucht. Eine schwedische Studie verglich daher bei über 17 000 Patienten (über 80 Jahre mit NSTEMI), ob es günstiger ist, eine PCI durchzuführen oder nicht. Primäres Outcome war Einjahres- Mortalität, Reinfarkt und Blutung.
Das mittlere Alter betrug 85,8 Jahre. 24,5% der Kohorte mussten sich einer PCI unterziehen, die anderen wurden konservativ behandelt. Die Einjahres-Mortalität war in der PCI-Gruppe mit 11,63 versus 36,38% signifikant niedriger. Das Sterberisiko war mit PCI 62% geringer als mit konservativer Behandlung. Reinfarkte kamen allerdings in der PCI-Gruppe häufiger vor (1 vs. 0,6%), während sich die Blutungsraten nicht unterschieden.
Die Autoren folgern aufgrund der Ergebnisse: NSTEMI-Patienten sollten auch in einem Alter über 80 Jahre einer perkutanen Koronarintervention zugeführt werden.
 
Leukos und erektile Dysfunktion: zwei spannende Marker
 
Dass eine erektile Dysfunktion (ED) ein Hinweis auf kardiovaskuläre Erkrankungen sein kann, ist bekannt, kann aber auch gar nicht häufig genug in Erinnerung gerufen werden. Nun aber zeigte sich in einer Studie überraschenderweise, dass eine ED auf eine geringere Mortalität hinweisen kann – wenn sie nach einem Myokardinfarkt erstmals auftritt.
Bei 7,1% von insgesamt über 43 000 Männern, die wegen eines Myokardinfarktes ins Krankenhaus aufgenommen wurden, entwickelte sich im Schnitt nach 6,2 Jahren eine ED. Bei diesen Patienten (mit ED) zeigte sich während des Follow-up eine um 30% geringere Mortalität. Auch die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz war geringer (um 36%). Nahmen die Männer einen Phosphodiesterase-5-Hemmer, war das Mortalitätsrisiko 40% geringer. Kam Alprostadil gegen die ED zur Anwendung, reduzierte das die Mortalität nicht. Im Vergleich zu Alprostadil reduzierte die mehr als fünfmalige Verschreibung eines PDE-5-Hemmers das Todesrisiko um 79%.
Die Leukozytenzahl ist mit dem Outcome bei ACS assoziiert, das ist bekannt. Ob die Verbindung auch besteht, wenn man unterschiedliche Patienten, die sich einer PCI unterziehen, auswertet, interessierte Autoren aus den USA. Sie untersuchten 4218 PCI-Patienten aus den USA und Europa und berechneten den Zusammenhang zwischen Leukos bei Aufnahme und schweren kardiovaskulären Ereignissen (MACE, zusammengesetzt aus Herztod, Stentthrombose, spontaner Myokardinfarkt, Revaskularisierung der Zielkoronarie, jeweils nach nach 24 Monaten).
Erhöhte Leukozytenmessungen waren dabei unabhängig mit einer erhöhten MACE-Wahrscheinlichkeit und mit Tod kardialer Ursache assoziiert (Hazard Ratio 1,64 bzw. 2,76, das Risiko eines MACE also um 64% und für Tod um 176% erhöht). Ob die erhöhten Leukos hierbei ein Resultat der Inflammation oder der Demarkierung bei akutem Myokardstress sind, möchten die Autoren noch untersucht wissen.
 
Keine Betablocker bei erhaltener Funktion des linken Ventrikels
 
Betablocker sind bei Herzinsuffizienz mit linksventrikulärer Dysfunktion therapeutisch etabliert. Ist die linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) nach einem Myokardinfarkt aber nicht (relevant) in Mitleidenschaft gezogen, ist die Situation bzgl. eines Betablocker- Einsatzes nicht so klar. Daher untersuchte man in Kanada 2181 ACS-Patienten mittels Koronarangiographie und Herz-MRT und stratifizierte sie entsprechend ihrer LVEF (LVEF normal: 53,7% vs. LVEF reduziert: 24,5%).
Nach einem 2,8-jährigen Follow-up konnte man feststellen, dass bei LV-Dysfunktion die Betablocker-Gabe zu einer 40%igen Reduzierung der Gesamtmortalität führte. War die LVEF hingegen nicht eingeschränkt, erhöhten Betablocker die Mortalität um 65% – ein Effekt, der sicherlich noch weiterer Untersuchungen bedarf, so die Autoren. CB
ICD-Codes: I21.4 , I24.9

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