ESC Heart Failure 2016

Praxis-Depesche 9/2016

Neu definiert: HFmrEF – Nervenstimulation – Lymphangiogenese

Auf der diesjährigen ESC-Heart-Failure-Jahrestagung wurde ein Update der Herzinsuffizienz- Leitlinien veröffentlicht. Neu sind darin nicht nur die Therapiealgorithmen, sondern auch die Klassifizierung der Ejektionsfraktion. Zudem wurden zahlreiche neue Ansätze, z. B. die Stimulation des Zwerchfellnervs zur Behandlung der zentralen Schlafapnoe (CSA) und Perspektiven in der Therapie, wie die Stärkung des kardialen Lymphsystems, diskutiert.

Die wichtigsten Neuerungen in den ESC-Leitlinien zur Herzinsuffizienz fasste Prof. Piotr Ponikowski, Wroclaw, zusammen. Eine chronische Herzinsuffizienz kann bei einem NTproBNP- Spiegel ≥125 pg/ml bzw. BNP-Spiegel ≥35 pg/ml ausgeschlossen werden. Zwischen der Herzinsuffizienz mit erhaltener bzw. reduzierter Auswurffraktion (HFpEF mit LVEF ≥50% bzw. HFrEF mit LVEF <40%) wurde nun der Insuffizienzbereich mit mittlerer Ejektionsfraktion definiert („midrange“: HFmrEF mit LVEF 40 bis 49%). „Mit dieser Maßnahme soll eine klare Abgrenzung zur HFpEF bzw. HFrEF gezogen und die spezifischen Bedürfnisse dieser Patientengruppe stärker in den Vordergrund gerückt werden“, so Ponikowski. Die Therapieoptionen für HFrEF-Patienten mit LVEF ≤35%, die trotz ACE-Inhibitoren oder ARB symptomatisch bleiben, wurden um einen Angiotensin-Rezeptor- Neprilysin-Inhibitor (ARNI) ergänzt. Von dem Einsatz von Glitazonen sowie nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) und Cox-2-Inhibitoren wird bei symptomatischen HFrEF-Patienten in den aktuellen Leitlinien abgeraten.
 
Neue Klassifizierung der akuten und chronischen Herzinsuffizienz
 
Im Fokus der Empfehlungen zur akuten Herzinsuffizienz steht die frühzeitige Bestimmung des klinischen Profils in Abhängigkeit von Kongestion und peripherer Hypoperfusion. Dabei wird nun zwischen „nassen“ oder „trockenen“ bzw. „warmen“ und „kalten“ Patienten unterschieden. Die neuen Leitlinien geben außerdem konkrete Handlungsempfehlungen für die adäquate Versorgung herzinsuffizienter Patienten mit Komorbiditäten, wie Hypertonie, Diabetes und COPD vor.
 
Implantat zur nächtlichen Nervenstimulation bei Schlafapnoe
 
Zu den häufig mit Herzinsuffizienz assoziierten Komborbiditäten zählt auch die zentrale Schlafapnoe, für die Dr. Maria Rosa Costanzo, Naperville, einen vielversprechenden neuen Therapieansatz vorstellte. Dabei wird dem Patienten transvenös ein Implantat zur unilateralen Stimulation des Zwerchfellnervs eingesetzt. Das Implantat unterstützt die Atmung des Patienten im Schlaf, ohne diesen zu wecken. Die Schlafphase erkennt das Gerät dabei automatisch anhand der Körperposition des Trägers. Adhärenzprobleme werden auf diese Weise einfach umgangen. In einer Studie mit 151 Patienten mit mittelschwerer bis schwerer zentraler Schlafapnoe (Apnoe- Index AHI ≥20) erreichte das Implantat bei signifikant mehr Patienten gegenüber Plazebo nach sechs Monaten eine mindestens 50%ige Reduktion des AHI (52 vs. 11%; p<0,001). Die Schwere der zentralen Schlafapnoe (central apnea index, CAI) verbesserte sich gegenüber Plazebo um 33% und die Dauer der REM-Schlafphasen erhöhte sich um 2,4%. Auch die Lebensqualität der mit dem Implantat behandelten Patienten nahm zu und der Allgemeinzustand besserte sich nach Patientenbeurteilung um 60% gegenüber 6% unter Plazebo (p<0,001). Die Therapie wurde von den Teilnehmern gut vertragen. Innerhalb von zwölf Monaten traten bei 91% der Patienten keine erns ten Implantat-bedingten Nebenwirkungen auf.
 
Kardioprotektion mit gezielter Lymphangiogenese
 
Neben vielversprechenden neuen Therapieoptionen wurden auch neue Ansätze in der Prävention der Herzinsuffizienz vorgestellt. Dr. Ebba Brakenhielm, Rouen, machte in diesem Zusammenhang auf den Stellenwert des kardialen Lymphsystems aufmerksam. „Das Flüssigkeitsgleichgewicht des Myokards spielt eine entscheidende Rolle für den Verlauf von Herzerkrankungen“, erklärte Brakenhielm. Direkt nach einem Myokardinfarkt kommt es um die betroffene Läsion zu einer deutlichen Verdichtung der Lymphgefäße, zeitlich korrelierend mit den Stadien der Wundheilung und Narbenbildung. Die Lymphangiogenese trägt zur Narbenbildung bei, das dichtere Gefäßnetz könnte aber auch den Abtransport verbessern und damit den Rückgang der Entzündung und die Abheilung fördern. Jedoch ist trotz der Lymphgefäßverdichtung die Drainage nach einem Infarkt eingeschränkt und es bleiben häufig kardiale Ödeme zurück. Möglicherweise sind die neu gewachsenen Lymphgefäße zu klein, um die reduzierte Drainagekapazität ausgleichen zu können. „Eine gezielte Lymphangiogenese kann die Drainageleistung wiederherstellen und damit die schädlichen Folgen eines Infarkts abmildern“, so Brakenhielm. In ersten Versuchen gelang es bereits, die Lymphangiogenese im Myokard von Infarkt- Ratten mit VEGF-C-imprägnierten Mikropartikeln gezielt anzuregen. Zwar wuchsen dadurch nicht mehr oder größere Lymphgefäße, doch klangen die kardialen Ödeme und die Entzündung tatsächlich schneller ab. Wahrscheinlich sorgte die VEGF-C-Injektion für eine bessere Öffnung der Lymphgefäße. OH
ICD-Codes: I50.9 , G47.3

Alle im Rahmen dieses Internet-Angebots veröffentlichten Artikel sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch Übersetzungen und Zweitveröffentlichungen, vorbehalten. Jegliche Vervielfältigung, Verlinkung oder Weiterverbreitung in jedem Medium als Ganzes oder in Teilen bedarf der schriftlichen Zustimmung des Verlags.

x