Prävention bei Typ-1-Diabetes

Praxis-Depesche 5/2016

Neue Studie testet neue Ätiologie-Idee

Vielleicht ist Autoimmunität gar nicht die Ursache des Diabetes mellitus Typ 1 (T1DM)? Bereits 2001 stellte T. Wilkin die „Beschleunigungshypothese“ vor. Diese soll nun in einer ehrgeizigen Studie überprüft werden, und falls an der Geschwindigkeits-Idee etwas dran ist, könnte Metformin zukünftig T1DM verhindern.

1965 beschrieb W. Gepts die lymphozytäre Insulinitis, 1974 G. F. Bottazzo die Inselzellantikörper und im selben Jahr J. Nerup die HLA-Verbindung. Diese „Diabetes-Trias“ stellte seitdem die Basis aller Präventionsversuche für T1DM dar, denn man nahm an, dass Autoimmunität und die Zerstörung der Betazellen durch das eigene Immunsystem die Pathogenese darstellten. 1976 wurde die Unterscheidung zwischen Typ 1 und 2 eingeführt (T1DM, T2DM) und seitdem gilt der Kinderdiabetes als Typ 1 und autoimmun bedingt und der der Erwachsenen als Typ 2 und durch metabolische Veränderungen ausgelöst (zunehmend mit Überschneidungen, wohlgemerkt).
Die Tatsache, dass keine der über 20 zur T1DM-Prävention durchgeführten Studien ein nachhaltig positives Ergebnis berichten konnte, rüttelt Wilkin zufolge an dem Paradigma der Autoimmunität. Zwar gab es einige Präventionserfolge der Immuntherapie im Tiermodell, aber das beweist laut Wilkin lediglich, dass das Immunsystem zwar Betazellen zerstören kann, aber keineswegs dasss eine Autoimmunreaktion auch die Ursache des T1DM beim Menschen ist.
Vielmehr geht die Beschleunigungshypothese von einer anderen Pathophysiologie aus. Der Verlust von Betazellen ist ein normaler Alterungsprozess; demnach entwickeln sich alle Menschen im Laufe ihrer Lebenszeit hin zum Diabetes. Der Diabetes ist also keine Krankheitskategorie für einige, sondern das Schicksal aller ... zu einem bestimmten Zeitpunkt. Was die Menschen allerdings unterscheidet, ist der Bedarf an Betazellen bzw. die Anforderungen an die Betazelle, und eine erhöhte Anforderung verursacht in der Betazelle Stress. Dieser Stress beschleunigt ihren Untergang. Also ist der Bedarf der primäre Treiber und bedingt, wann (und ob) der Zustand des Diabetes innerhalb der Lebensspanne erreicht wird. „Gestresste“ Betazellen sind zudem immunogener als Zellen, die keiner chronischen Überlastung unterliegen. Dieser zweite Beschleunigungsfaktor (des Zelluntergangs) wird zusätzlich durch die Immunantwort bestimmt (HLA!) und ist somit der autoimmune Anteil der Diabetesentwicklung, dem nur eine Minderheit unterliegt.
Man könnte also weniger vom Typ 1 und 2 sprechen, sondern vielmehr vom schnellen oder langsamen Diabetes. T2DM ist nicht der Diabetes der Erwachsenen, sondern ein Diabetes, der im Erwachsenenalter erreicht wird.
„Der Betazellstress ist das Feuer und die Immunantwort auf den Stress stellt dabei lediglich den Rauch dar“, so Wilkin. „Wenn das so ist, ist auch klar, weshalb Präventionsstrategien, die auf die Immunantwort zielen, nicht funktionieren.“
Am 19. April 2016 startete daher in Schottland im Ninewells Hospital, Dundee, die Studie „autoimmune diabetes Accelerator Prevention Trial“: adAPT. Man versucht, bei Kindern zwischen 5 und 16 Jahren, die ein hohes T1DM-Risiko tragen, die Entstehung der Erkrankung mit Metformin zu verhindern. Metformin reduziert bekanntermaßen den Betazellstress. Bis 2018 läuft die erste Pilotstudienphase, bis 2020 das „proof of concept“ und bis 2023 möchte man in der Phase 3 dann Ergebnisse zur Diabetesinzidenz vorweisen können.
Schottland gilt übrigens weltweit als das Land mit der dritthöchsten T1DM-Inzidenz. CB
Quelle:

Wilkin T et al.: Testing the accelerator hypothesis: a new approach to type 1 diabetes prevention (adAPT 1). Diabetes Obes Metab 2016; 18(1): 3-5

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