Ungesunder Cholesterinsenker

Praxis-Depesche 1/2017

Pflanzenöle doch eher schlecht fürs Herz?

Als viel gesünder als gesättigte tierische Fette gelten Pflanzenöle. Denn diese enthalten viel Cholesterin-senkende Linolsäure und sollen daher kardiovaskulär protektiv wirken. Diese Hypothese gründet allerdings nur auf wenigen randomisiert kontrollierten Daten. Eine erneute Analyse unveröffentlichter Daten der damals ausschlaggebenden Studie zeigt, dass ein hoher Verzehr von Pflanzenöl nicht gesund, sondern sogar gefährlich ist.

Kommentar

Seit 2015 werden in den Ernährungsrichtlinien der USA Cholesterin- und Gesamtfettgehalt nicht mehr als bedenklich eingestuft. Zunehmend gerät auch der gute Ruf von Pflanzenölen ins Wanken. Bis sich die Empfehlungen der Ernährungsgesellschaften entsprechend ändern, ist es ratsam, bei der Ernährung einfach auf ausreichend Fisch, Früchte, Gemüse und Vollkorn zu achten und Salz, Zucker sowie industrielle Transfette zu vermeiden ... und nicht zu viel zu essen.

Veerman JL: Dietary fats: a new look at old data challenges established wisdom. BMJ 2016; Ebd.
In den letzten Jahren ist die Hypothese, Pflanzenöle seien gesünder als tierische Fette, zunehmend ins Wanken geraten. Nun stießen Forscher auf bisher unveröffentlichte Daten der größten und wichtigsten Studie zu diesem Thema, dem Minnesota Coronary Experiment (MCE). Eine neue Analyse des vervollständigten Datensatzes zeichnet nun ein neues, ganz anderes Bild.
Im Rahmen der MCE-Studie (durchgeführt 1968 bis 1973) setzte man über 9500 Erwachsenen rund 4,5 Jahre lang vorgefertigte Mahlzeiten vor. Während das Essen der Kontrollgruppe aus 18,5% gesättigten Fetten und 4,7% Linolsäure zusammengesetzt war, ernährte sich die Hälfte der Teilnehmer von nur halb so viel gesättigten Fetten (9,2%) und fast dreimal so viel Linolsäure (12,2%). Inklusive der neuen Daten folgten insgesamt 2403 Patienten mindestens ein Jahr lang ihrem Diätplan. Im Schnitt lagen für 2355 Personen ausreichend Follow-up-Daten zum Cholesterinspiegel vor. Zwischen LDL- und HDL-Cholesterin wurde damals nicht unterschieden; allerdings wirkt Linolsäure vornehmlich auf das LDL-Cholesterin.
Erwartungsgemäß senkte die Linolsäure-reiche Ernährung den Cholesterinspiegel von initial im Schnitt 208 mg/dl um 13,8%, die Kontrolldiät senkte ihn nur um 1% (p<0,001). Ein günstiger Effekt auf die Mortalitätsrate konnte allerdings nicht festgestellt werden. Im Gegenteil – je tiefer das Cholesterin gesenkt wurde, desto höher war das Sterberisiko. Unter Berücksichtigung von Baseline-Cholesterinspiegel, Alter, Geschlecht, Diätadhärenz, BMI und Blutdruck stieg pro Cholesterin-Reduktion um 30 mg/dl das allgemeine Mortalitätsrisiko um 22%. Zwar war der Zusammenhang für Unter-65-Jährige nicht signifikant, doch für alle älteren Teilnehmer stieg das Risiko pro 30mg/dl-Cholesterinsenkung sogar um 35%. Ähnliches zeigten auch die 149 neu entdeckten Datensätze von ursprünglich 295 durchgeführten Autopsien. Während 41% der autopsierten Patienten unter Linolsäure- Diät mindestens einen Myokardinfarkt aufwiesen, waren es in der Kontrollgruppe lediglich 22% (p=0,035). Auch fand man in der Kontrollgruppe deutlich seltener Arteriosklerose.
Eine Metaanalyse ausschließlich der fünf bisher veröffentlichten randomisiert kontrollierten Studien zu der etablierten Hypothese konnte ebenfalls keinen klinischen Nutzen für das Ersetzen gesättigter Fette mit Pflanzenölen feststellen. Aus Sicht der Autoren gibt es folglich nicht ausreichend Evidenz, um diese Empfehlung länger zu stützen. Die scheinbar schädliche Wirkung der Linolsäure führen die Forscher darauf zurück, dass Pflanzenöle das LDL-Cholesterin zwar senken, es aber auch anfälliger für oxidative Prozesse machen. Zudem nehmen Menschen erst seit dem Bestehen industriell gefertigter Lebensmittel vermehrt Linolsäure zu sich. Ernährt man sich ausschließlich von natürlichen Lebensmitteln, nimmt man lediglich 2 bis 3% der Kalorien durch Linolsäure auf. OH
Quelle:

Ramsden CE et al.: Re-evaluation of the traditional diet-heart hypothesis: analysis of recovered data from Minnesota Coronary Experiment (1968-73). BMJ 2016; 353: i246

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