Komplikationen bei Krebs

Praxis-Depesche 15/2005

Tumor-Hyperkalzämie - gezielte Therapie

Eine Hyperkalzämie kommt bei bis zu 30% der Patienten mit Krebserkrankung vor. Zu den Folgen gehören mentale Einschränkung bis hin zum Koma sowie Niereninsuffizienz. Die Diagnose einer Hyperkalzämie bei einem Krebspatienten signalisiert eine schlechte Prognose; die 30-Tage-Mortalität liegt bei 50%.

Ein typischer Fall: 47-jährige Frau mit Mammakarzinom, die mit Exsikkose und Verwirrtheitszuständen in die Ambulanz kommt. Das Serum-Kalzium beträgt 18 mg/dl (4,5 mmol/l) - normal sind Werte bis 10,5 mg/dl bzw. 2,63 mmol/l. Erhöht sind auch Phosphat, Harnstoff und Kreatinin im Serum; das Albumin ist mit 3,3 g/dl leicht erniedrigt. Im Knochenszintigramm kein Anhalt für Skelettmetastasen. Manchmal ist zur sicheren Diagnose einer Hyperkalzämie die Messung des ionisierten Kalziums sinnvoll, da veränderte Albuminspiegel das Gesamt-Kalzium verfälschen können. Man unterscheidet vier Formen der Tumor-Hyperkalzämie. (1) Bei multiplem Myelom, Brustkrebs und Lymphomen kommt es typischerweise zu osteolytischer Hyperkalzämie durch Knochenmetastasen. (2) Bei Plattenepithelkarzinomen, Nieren- und Ovarialkarzinomen, HTLV-assoziierten Lymphomen und manchen Formen des Mammakarzinoms findet man eine "humorale Hyperkalzämie" infolge systemischer Sekretion eines Parathormon-assoziierten Proteins (PTHrP). (3) Bei Lymphomen kann infolge 1,25(OH)2D-Sekretion eine Hyperkalzämie auftreten. (4) Selten ist ein ektoper Hyperparathyreoidismus, der zum Anstieg der Kalziumwerte führt. Bei der Therapie der Hyperkalzämie steht zunächst die Behebung der Exsikkose mit Kochsalzlösung im Vordergrund. Wenn voll rehydriert ist, kann mit Schleifendiuretika die Kalziumausscheidung beschleunigt werden (keine Thiaziddiuretika!). Phosphat kann oral ersetzt werden. Auf jeden Fall empfiehlt sich die Gabe von intravenösen Bisphosphonaten. Nach zwei bis vier Tagen beginnt das Serumkalzium zu sinken (maximaler Effekt nach vier bis sieben Tagen). Inwieweit eine bestehende Niereninsuffizienz eine Einschränkung für diese Therapie bedeutet, ist umstritten. - Als weniger wirksame Alternativen kommen Glukokortikoide, Mithramycin, Calcitonin und Galliumnitrat infrage. Auch die Dialyse ist hilfreich bei einer ansonsten therapieresistenten Hyperkalzämie. Der molekulare Mechanismus, der über die Aktivität von Osteoklasten zur Tumor-Hyperkalzämie führt, ist das RANKL-System. Hier direkt ansetzende Agenzien (etwa rekombinantes Osteoprotegerin) könnten sich in Zukunft als Therapie-Alternativen erweisen. (MO)

Quelle: Steward, AF: Hypercalcemia associated with cancer, Zeitschrift: NEW ENGLAND JOURNAL OF MEDICINE, Ausgabe 352 (2005), Seiten: 373-379

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