Bei der Untersuchung der Patientin fiel das komplette Fehlen von Achsel- und Schamhaaren auf, so dass der Verdacht auf testikuläre Feminisierung bestand. Bei der Laparotomie fanden sich beidseits Testes, der linke war torquiert. Beide Testes wurden entfernt. Die Chromosomenanalyse ergab einen normalen männlichen Karyotyp 46 XY. Die Androgen-Rezeptoren waren infolge einer Punktmutation funktionslos. Die Patientin litt an einer kompletten Androgen-Insensitivität. Typisch für diese Störung, deren Inzidenz, bezogen auf männliche Geburten, mit ca. 1 : 20 000 bis 1 : 60 000 angegeben wird, sind beidseitige Testes, weibliche äußere Genitalien, eine blind endende Vagina, eine normale weibliche Brustentwicklung und das Fehlen von axillärer und pubischer Behaarung. Die Geschlechtsidentität der Betroffenen ist absolut weiblich. Wegen des Risikos einer malignen Entartung werden grundsätzlich Gonadektomie und Östrogen-Substitution empfohlen. Die Patientin hatte im Alter von 22 Jahren wegen primärer Amenorrhö einen Frauenarzt aufgesucht. Dieser diagnostizierte damals einen "zu kleinen Uterus" und sagte ihr, dass sie wohl nie Kinder haben werde. Weitere Untersuchungen waren nicht erfolgt. (UB)
Frau mit Hodentorsion
Praxis-Depesche 14/2000
Überraschende Ursache für akutes Abdomen - spät erkannte endokrine Anomalie
An der Freiburger Univ.-Frauenklinik wurde eine 27-jährige Frau wegen akuten Abdomens laparotomiert. Ursache war eine linksseitige Hodentorsion. Die Patientin hatte eine bisher undiagnostizierte komplette Androgen-Insensibilität.
Quelle: Möckel, J: Acute abdomen in a patient with undiagnosed complete androgen insensitivity, Zeitschrift: GEBURTSHILFE UND FRAUENHEILKUNDE, Ausgabe 60 (2000), Seiten: 232-234