Leber-Tx bei Alkohol-bedingten Lebererkrankungen

Praxis-Depesche 6/2017

Vor Transplantation auch psychosoziale Kriterien erheben

Patienten, die wegen einer Alkohol-bedingten Lebererkrankung für eine Lebertransplantation vorgesehen sind, weisen ein hohes Rückfallrisiko auf. Eine umfassende Evaluierung vor allem hinsichtlich des psychosozialen Hintergrundes kann dieses Risiko verringern. Dies sind die Erkenntnisse einer aktuellen japanischen Untersuchung.

Evaluierungskriterien
Kriterien A (müssen von Patienten mit einer Alkohol-bedingten Lebererkrankung erfüllt werden)
  • Abstinenzphasen über mindestens sechs Monate
  • Erklärung, in Zukunft keinen Alkohol mehr zu trinken
Kriterien B
  • keine psychiatrische Komorbidität
  • Adhärenz zur medizinischen Therapie
  • Verstehen der und Zustimmung zur Transplantation, Unterstützung durch die Familie
  • In Arbeit bzw. bereit zu arbeiten
  • Score von 0,1, oder 2 auf der Skala „High-Risk Alcoholism Relapse“
Kriterien C
  • erneute Evaluierung nach einem Monat von Patienten, bei denen im initialen Interview das Rezidivrisiko nicht eindeutig bestimmt werden konnte
In dieser Untersuchung wurden Faktoren ermittelt, die mit einem Rückfall nach einer Transplantation wegen einer Alkohol-bedingten Lebererkrankung (ALD) verbunden sind. Im Mittelpunkt standen dabei psychosoziale Faktoren.
Retrospektiv wurden die klinischen Daten von 102 ALD-Patienten ausgewertet, die zwischen Mai 2003 und März 2015 für eine Lebertransplantation ins Nagoya University Hospital überwiesen wurden. Ihr Alkoholkonsum wurde anhand der klinischen Aufzeichnungen ermittelt und mithilfe der Skala „High-Risk Alcoholism Relapse“ bewertet. Diese Skala beinhaltet unter anderem die Dauer des starken Trinkens, Art und Menge des gewöhnlich konsumierten Alkohols und frühere stationäre Behandlungen wegen Alkoholmissbrauchs. Alle Patienten wurden hinsichtlich ihrer Eignung für eine Lebertransplantation untersucht. Angewendet dazu wurden die Child-Pugh-Kriterien, das Modell für „End-Stage Liver Disease Score“ (MELD-Score) und psychosoziale Kriterien. Letztere wurden in drei Kriteriengruppen eingeteilt (siehe Kasten). Gruppe A beispielsweise beinhaltete Kriterien, die von den Alkohol-abhängigen Patienten erfüllt werden mussten (Abstinenzphasen über mindestens sechs Monate, Erklärung, in Zukunft nicht mehr Alkohol zu trinken).
Von den 102 für eine Transplantation vorgesehenen Patienten unterzogen sich sieben (6,9%) dem Eingriff. Einer dieser sieben Patienten (14,3%) fing nach der Transplantation wieder an, heftig zu trinken. Er stoppte sein Verhalten jedoch aufgrund einer sofort einsetzenden Intervention, bestehend aus einer psychotherapeutischen Maßnahme und einer supportiven Psychotherapie durch einen Psychiater.
Zwei Gruppen wurden miteinander verglichen: Gruppe 1 bestand aus den sieben Patienten nach Lebertransplantation und zehn Patienten, die für eine Transplantation gelistet waren (Gruppe 1); Gruppe 2 bestand aus 50 Patienten, bei denen der Eingriff nicht durchgeführt worden war, und die auch nicht für eine Transplantation vorgesehen waren. Es zeigten sich statistisch signifikante Unterschiede zu Gunsten von Gruppe 1. So dauerte die Abstinenzphase deutlich länger (p<0,01). Dagegen wurde in Gruppe 1 eine signifikant kürzere Zeit des heftigen Alkoholkonsums verzeichnet (p<0,05). Außerdem befolgten die Patienten der Gruppe 1 die medizinische Therapie besser (p<0,01).
Um das Risiko eines Rückfalls beurteilen zu können, empfehlen die Autoren, Alkohol-abhängige Kandidaten für eine Leber-Tx umfassend psychosozial zu evaluieren. GS
Quelle:

Onishi Y et al.: Risk of alcohol use relapse after liver transplantation for alcoholic liver disease. World J Gastroenterol 2017; 23: 869-75

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