Komplexe Pathophysiologie

Praxis-Depesche 8/2015

Wie entsteht Insomnie?

Wer schlaflos ist, hat Probleme beim Einschlafen, wacht häufig auf, bleibt ruhelos oder wird morgens verfrüht wach. Wie kommt es dazu?

Info

Der Goldstandard in der Behandlung ist die kognitive Verhaltenstherapie. Sie soll die Verbindung von Schlafumgebung und Schlafzustand stärken, regelmäßige Schlafzeiten etablieren, den Schlaftrieb durch Schlafrestriktion und Entspannungsübungen fördern und eine förderliche Denkweise vermitteln. Wirksame medikamentöse Optionen sind Benzodiazepin-Rezeptor-Agonisten, Doxepin, Trazodon und Orexin-Rezeptor-Antagonisten (in Deutschland nicht zugelassen).

Grundlage der Insomnie ist eine genetische Prädisposition (Heritabilität etwa 31 bis 58%). Diese könnte in neurobiologische Abnormitäten resultieren, die in einer neurophysiologischen Übererregung mündet, welche den Schlaf verhindert. Dieser Zustand äußert sich u. a. durch Erhöhung von Cortisol, Herzfrequenz, Körperkerntemperatur sowie ß- und y-Wellen im EEG. Insomnie-Patienten zeigen eine erhöhte Aktivität in einzelnen Hirnregionen während der Nonrapid- eye-movement-Phase (NREM-Phase). Was Betroffene als wachen Zustand empfinden, erscheint wahrscheinlich deshalb in der Polysomnographie als normaler Schlaf.
Die Übererregung allein kann die Schlaflosigkeit allerdings nicht gänzlich erklären. Eine wichtige Rolle könnte die Missregulation der schlaf- bzw. erregungsfördernden Netzwerke spielen. Gesteuert wird das Gleichgewicht von Schlafen und Wachen vom zirkadianen Rhythmus und dem Wachheits-abhängigen Schlaftrieb. Bei normalem Schlaf wird das Herunterregeln der Erregungssysteme u. a. von dem ventrolateralen präoptischen Areal übernommen (VLPO).
Ungünstige Schlafgewohnheiten spielen dabei eine große Rolle. Wer mehr Zeit im Bett verbringt, um den „Schlaf nachzuholen“, verstärkt die Assoziation von Bett und Wachzustand und trägt eher zum Erhalt der Insomnie bei. Wer das nächtliche Aufwachen überdramatisiert und unentwegt auf den Wecker starrt, verschlimmert ebenfalls das Problem. OH
Quelle:

Levenson JC et al.: The pathophysiology of insomnia. Chest 2015; 147(4): 1179-92

ICD-Codes: G47.0

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