Herz mit Kardiogramm.

86. Jahrestagung und Herztage der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), 2020

Praxis-Depesche 12/2020

Im Fokus: Der multimorbide Herzpatient

Wegen des immer höheren Alters von Herzpatienten steigt auch die Zahl derjenigen, die eine oder mehrere Begleiterkrankungen aufweisen. Trotzdem adressieren die Leitlinien meist nur Einzelkrankheiten, was das Deutsche Ärzteblatt bereits 2017 als „realitätsfern“ kritisierte. Auf den diesjährigen Herztagen der DGK stand nun alles im Zeichen des multimorbiden Patienten.
Einfluss kardialer Risikofaktoren bei Krebs größer als gedacht?
Onkologische und kardiovaskuläre Patienten werden meist getrennt behandelt. Jedoch weisen viele Patienten beide Diagnosen auf. Ein Grund ist, dass sich beide Erkrankungen gegenseitig begünstigen: Beispielsweise kann eine Krebstherapie kardiotoxisch wirken oder eine Herzinsuffizienz eine Krebserkrankung fördern. Bisherige Daten zu diesem Zusammenhang stammen aber vor allem aus präklinischen Studien.
In einer retrospektiven Studie analysierten Dr. Daniel Finke und sein Team vom Universitätsklinikum Heidelberg deshalb die Daten von rund 12.000 Patienten, die sich einer Herzkatheteruntersuchung unterzogen hatten. Bei der Hälfte der Probanden lag zusätzlich eine Krebserkrankung vor. Zwar war die linksventrikuläre Funktion in beiden Gruppen vergleichbar, Unterschiede zeigten sich jedoch bei den kardialen Biomarkern: Sowohl bei den onkologischen Patienten mit erhaltener als auch bei denjenigen mit reduzierter Pumpleistung waren die NT-proBNPWerte höher als bei denen ohne Krebsdiagnose. Auch das hochsensitive Troponin war bei Krebspatienten mit erhaltener Pumpfunktion gesteigert, was laut Finke auf einen myokardialen Schaden unabhängig von einer ischämischen Erkrankung schließen lässt. Zudem korrelierten erhöhtes Troponin und erhöhtes NT-pro BNP mit einer gesteigerten Sterblichkeit der onkologischen Patienten. „Auch Krebspatienten profitieren von einer Einstellung kardiovaskulärer Risikofaktoren und einer kardiologischen Betreuung“, schlussfolgerte Finke.
 
Eine Einheit: Herz und Darm
Eine weitere Vortragsreihe widmete sich dem Darmmikrobiom, das auch in der Kardiologie zunehmend ins Blickfeld rückt. Wie Dr. Mark Lüdde, Bremerhaven, ausführte, gibt es mittlerweile gute Evidenz, dass die intestinale Mikrobiota besonders bei der Entstehung von Herzinsuffizienz relevant ist: So ist die Darmbarriere vieler Herzinsuffizienz-Patienten beeinträchtigt sowie die Vielfalt des Keimspektrums insgesamt erniedrigt.
Einer der bakteriellen Metaboliten, die bei der Entstehung von Herzinsuffizienz eine Rolle spielen, ist Trimethylaminoxid (TMAO), dessen erhöhte Konzentration im Blut mit einer schlechteren Prognose korreliert. Die Anwesenheit Butyrat-bildender Bakterien scheint dagegen protektiv zu wirken. Diese Erkenntnisse machen Hoffnung auf neue therapeutische Interventionen. Die bisherigen Daten dazu sind aber vor allem experimenteller Natur – etwa eine Hemmung der TMAO-Bildung sowie die Einnahme von Prooder Präbiotika bei Herzinsuffizienz. „Ein wichtiger und einfach anzugehender Faktor ist die Ernährung“, betonte Lüdde. Als günstig erwiesen haben sich die DASH-Diät und eine mediterrane Kost.
 
Influenza-Impfquote zu niedrig
Dass es eine starke Assoziation von Influenza- Infektionen und kardiovaskulären Erkrankungen und Todesfällen gibt, wurde schon vielfach bestätigt. Trotzdem werde die Wichtigkeit einer Grippeimpfung sowohl vom Patienten als auch vom medizinischen Fachpersonal immer noch unterschätzt, kritisierte der in Berlin tätige Kardiologe Prof. Ralf Dechend. Studien zufolge können größere kardiale Ereignisse durch eine Grippeimpfung um über 50 % gesenkt werden, die Gesamtmortalität um 40 %. Damit ist die protektive Wirkung einer Impfung vergleichbar mit der von Statinen oder Blutdrucksenkern.
Seit langem rät die Ständige Impfkommission zu einer Grippeimpfung von Patienten mit chronischen Herz-Kreislauf- Erkrankungen. Mit einer Impfquote der chronisch Kranken zwischen 20 % und 54 % ist man in Deutschland aber noch weit entfernt von den durch die WHO geforderten 75 %. „Bitte reden Sie mit Ihren Patienten über die Wichtigkeit der Influenza-Impfung und empfehlen Sie diese im Arztbrief an den Hausarzt“, appellierte Dechend. RG
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