Letzte Chance Phase-1-Studie

Praxis-Depesche 11/2014

Ärzte schüren zu viel Hoffnung

Wenn keine Therapieoption mehr offen steht, liegt es am Arzt, die Betroffenen über die Situation adäquat aufzuklären. Im onkologisch-pädiatrischen Umfeld scheinen Behandler beim „informed consent“ zu Phase-1-Studien nicht immer realistisch zu informieren.

Ansprechen und klinischer Nutzen sind in Phase-1-Studien meist sehr gering. Oft versprechen sich Patienten und ihre Angehörigen zu viel von einer Teilnahme. Besonders todkranke Kinder und ihre Eltern sind dann besonders empfänglich für Aussagen, die sie im Glauben an einen Therapieerfolg bestärken. Doch nur selten werden die Prognosen bei der Studienrekrutierung realistisch dargestellt. An 85 krebskranken Kindern mit Teilnahmemöglichkeit an einer Phase-1-Studie wurde untersucht, inwiefern die behandelnden Ärzte (n=34) die Erwartungshaltung der betroffenen Familien beeinflussten. Das Aufklärungsgespräch wurde bis zur Zustimmung zur Studienteilnahme aufgezeichnet und hinsichtlich Hoffnung/Realismus und Aufbau/Minderung von Teilnahmedruck analysiert. Meist schürten die Onkologen die Erwartung eines positiven Outcomes (89% der Fälle) und eines Bestehens weiterer Optionen (74% der Fälle). Hoffnungsvolle Aussagen wurden dabei drei mal häufiger getroffen als realisitische (7,6 vs. 3,13; Hoffnung/Realismus 3,15). Nur selten sprachen die Ärzte andere Ziele als Heilung oder Lebensverlängerung an, wie z. B. mehr Zeit mit der Familie oder einen schmerzfreien Tod. Therapieverzicht oder palliative Maßnahmen blieben als Optionen meist unerwähnt (68% der Fälle), ebenso wie die Unheilbarkeit der Erkrankung (85% der Fälle). Eine offene Besprechung der unangenehmen Themen empfanden alle Beteiligten als dahingehend positiv, als sie weniger Teilnahmedruck erzeugte. Die Vermittlung unrealistischer Hoffnungen kann Betroffene zu Fehlentscheidungen in der Therapie und zur Vernachlässigung der palliativen Versorgung verleiten. Allerdings ist in dieser Situation die Abwägung zwischen notwendigem Realismus und ausreichender Hoffnung sehr schwierig. OH

Quelle:

Miller VA et al.: Hope and persuasion by physicians during informed consent. J Clin Oncol 2014; 32(29): 3229-35

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