200 Menschen sterben täglich durch Alkoholmissbrauch, durch Rauchen sind es jährlich mehr Todesfälle als durch AIDS, Alkohol, illegale Drogen, Verkehrsunfälle, Morde und Suizide zusammen. Bei schädlichem und abhängigem Medikamentenkonsum ist von knapp drei Mio. Todesfällen pro Jahr auszugehen, vermeldet die DGPPN. Die drei neuen S3-Suchtleitlinien, federführend von DGPPN und DG-Sucht mit Beteiligung weiterer Fachgesellschaften erarbeitet, bieten „neuestes evidenzbasiertes Wissen und beste Empfehlungen für frühe Interventionen, erprobte Behandlungsstandards und zielgerichtete Suchtrehabilitation“, sagte DGPPN-Präsident Prof. Thomas Pollmächer auf einer Pressekonferenz zur Vorstellung der Leitlinien.
Die S3-Leitlinie „Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen“ soll dazu beitragen, dass die Unterbehandlung verringert wird – denn nur etwa jeder zehnte Alkoholabhängige wird adäquat beraten oder behandelt, berichtete Prof. Falk Kiefer, Mannheim. Während der Konsum generell akzeptiert werde, setze bei einer Sucht schnell die Stigmatisierung ein. So liege ein Schwerpunkt der Leitlinie auf dem Screening sowie der Frühdiagnostik und Frühintervention. Hier sind nicht zuletzt die Hausärzte gefragt. Kiefer bedauerte sehr, dass es nach wie vor kein Werbeverbot für Alkohol gibt. Die Umsetzung der S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit: Screening, Diagnostik und Behandlung“, sei u. a. notwendig, um etwas an der um rund zehn Jahre verringerten Lebenserwartung der Raucher zu ändern, erläuterte Prof. Anil Batra, Tübingen. Therapieziel seiner Wahl ist die Abstinenz. Er kritisierte u. a. die unbefriedigende, ja kontraproduktive Situation der Kostenerstattung bei Interventionen gegen die Tabaksucht. Auch die Pandemie hatte diesbezüglich Folgen: In einer süddeutschen Umfrage im Frühjahr 2020 gaben rund 40 % der Befragten einen vermehrten Tabakund Alkoholkonsum an. Zur S3-Leitlinie „Medikamentenbezogene Störungen“ berichtete Prof. Ursula Havemann-Reinecke, Berlin, dass die 12-Monats-Prävalenz eines schädlichen bzw. abhängigen Medikamenten- Konsums bei den Erwachsenen hierzulande 2,9 Mio. beträgt. Da die Grenze zwischen bestimmungsgemäßem und missbräuchlichem Gebrauch fließend ist, seien vor allem die Ärzte angesprochen, ihre Verordnungen regelmäßig zu überprüfen. JL