Deutsche Gesellschaft für Kardiologie, Mannheim

Praxis-Depesche 14/2001

Alte Herzen: immer mehr möglich

Operativ oder anderweitig interventionell tätige Kardiologen haben zunehmend auch mit älteren Menschen zu tun. Wie es um Nutzen und Risiken von Eingriffen am Herzen betagter Patienten steht, beleuchteten Experten während des Mannheimer Kardiologenkongresses.

Der Anteil älterer Patienten bei Koronar-Interventionen steigt immer weiter an. Meist liegt in dieser Altersgruppe ein ausgedehnter Koronarbefund vor; häufig handelt es sich um Mehrgefäß-Erkrankungen und komplexe Läsionen. Dazu kommen Begleiterkrankungen. Interventionen verlaufen bei sorgfältiger Auswahl der älteren Patienten ebenso erfolgreich wie bei jüngeren. Allerdings liegt die Komplikationsrate etwa um das Zwei- bis Vierfache höher (Abb.). Die Mortalität elektiver Interventionen variiert vor allem in Abhängigkeit von Begleitrisiken. Während sie bei älteren Menschen ohne Risikofaktoren nur 0,8% beträgt, wurde bei Patienten mit Nieren- oder Herz-insuffizienz eine Mortalität von 7,2% ermittelt. Studien haben auch gezeigt, dass eine Katheter-Intervention bei Patienten über 75 Jahren mit akutem Myokardinfarkt erfolgreicher und komplikationsärmer ist als eine Thrombolyse, so Prof. E. Fleck, Berlin. Off-Pump-Verfahren, die einen Verzicht auf die extrakorporale Zirkulation erlauben, sind besonders für multimorbide Patienten zu erwägen. Eventuell kann eine inkomplette Revaskularisierung mit der interventionellen Versorgung einer weiteren Kranzarterie kombiniert werden, erläuterte H. Reichspurner, München. Mehr als 30% der 70- bis 80-Jährigen und mehr als 60% der 80- bis 90-Jährigen weisen eine Mitralring-Verkalkung auf, die mit einer leichten bis mittelschweren Mitralinsuffizienz einhergeht. Wichtigste Ursache der schweren Mitralinsuffizienz älterer Menschen sind die KHK und ein ausgeprägter Mitralklappen-Prolaps. Nachlastreduktion, Frequenzstabilisierung und Endokarditis-Prophylaxe bilden die Eckpfeiler der konservativen Therapie. Die Mitral-Rekonstruktion sollte bei älteren Patienten in der Regel dem Klappenersatz vorgezogen werden. Ob eine höhergradige Mitralinsuffizienz während einer koronaren Revaskularisation gleich mit versorgt werden sollte, wird kontrovers diskutiert. Kontrollierte Studien liegen dazu nicht vor. Reichspurner plädierte für die zeitgleiche Versorgung mittels Anuloplastik mit flexiblem Mitralklappenring. Etwa 1 bis 2% der Erwachsenen über 65 Jahre weisen eine hämodynamisch wirksame Aortenstenose auf. Wenn diese symptomatisch ist - dies trifft für die meisten Patienten zu -, überlebt nur jeder zweite Betroffene ein Jahr. Asymptomatische Patienten haben eine günstigere Prognose. Doch etwa 40% von ihnen entwickeln in zwei Jahren, 80% in drei Jahren Symptome. Jede symptomatische Aortenstenose ist auch im höheren Lebensalter Indikation für einen Klappenersatz, betonte Prof. P. Hanrath, Aachen. Für diesen Eingriff gibt es heute praktisch keine Altersbegrenzung mehr, so R. Autschbach, Leipzig. Die Frühletalität liegt zwischen 3 und 17%. Im Hinblick auf die Risiken der Antikoagulation sollte bei älteren Patienten primär ein biologischer Klappen-ersatz durchgeführt werden. Auch unter anderen Aspekten beeinflusst die Wahl des Prothesenmaterials die Prognose. Es hat sich bewährt, möglichst große Klappenprothesen zu implantieren, um den Widerstand maximal zu mindern. Denn die Myokardhypertrophie erhöht das Risiko des plötzlichen Herztods. Stentlose Klappen zeigen gegenüber gestenteten Klappen ein besseres Strömungsverhalten, wie aus Untersuchungen des Herzzentrum Leipzig hervorgeht. Sie bewirken deshalb eine stärkere Abnahme der Herzmuskelmasse. Auch beim alten Menschen können diese Eingriffe heute minimal invasiv durchgeführt werden, so dass die wünschenswerte frühzeitige Mobilisierung möglich ist. Im Jahre 2000 war bereits ein Viertel der Patienten, die einen Cardioverter-Defibrillator (ICD) eingesetzt bekamen, 70 bis 79 Jahre alt, 1% 80 Jahre und älter. Die perioperative Mortalität des Eingriffs ist mit etwa 1% auch bei älteren Patienten gering. Mit einem ICD zu leben, macht älteren Menschen in vielen Fällen auch weniger Angst als jüngeren. Grundsätzlich muss der Arzt mit seinem älteren Patienten abwägen, ob der rein lebensverlängernde Effekt dieser Behandlung den zu erwartenden Verlust an Lebensqualität durch die Schocks aufwiegt.

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