HIV-Kongress, Athen 2001

Praxis-Depesche 2/2002

ART der Zukunft: einmal täglich

Nur gut verträgliche und einfach einzunehmende Kombinationsregime sichern auf Dauer die lebenswichtige Adhärenz bei der antiretroviralen Therapie (ART). Darüber diskutierten die rund 3000 Teilnehmer der 8. European Conference on Clinical Aspects and Treatment of HIV Infection.

Die neuen europäischen Leitlinien zum Therapiebeginn bei chronischer HIV-Infektion sind ein Kompromiss, betonte N. Clumeck, Brüssel. Darin befürwortet die European AIDS Clinical Society (EACS) den Beginn der antiretroviralen Medikation bei asymptomatischen HIV-Infizierten mit einer CD4-Zellzahl unter 350/µl unabhängig von der Viruslast sowie bei einer CD4-Zahl über 350/µl, wenn die Viruslast über 100 000/ml liegt. Als Initialtherapie wird eine Dreifachkombination empfohlen, die bei einer Viruslast über 100 000 einen Protease-Inhibitor (PI) oder den nicht-nukleosidalen Reverse-Transkriptase-Hemmer (NNRTI) Efavirenz enthalten sollte. Nach sechs Monaten ist bei Absenkung der Viruslast unter 50 das Umsteigen auf ein einfacheres Regime zu prüfen. Für einen Therapiestart mit Substanzen, die den Patienten auf Dauer bei der Stange halten, sprach sich B. Gazzard, London, aus. Vier Eigenschaften sind dafür von Bedeutung: Sie sollten möglichst gut verträglich sein, keine Nahrungsrestriktion erfordern, dank einer längeren Halbwertszeit "verzeihen", wenn die Einnahme doch einmal vergessen wird, und am besten nur einmal täglich eingenommen werden müssen. Diverse Untersuchungen belegen nun mal: Je größer die Zahl der täglich zu schluckenden Dosen, desto geringer die Adhärenz. Zu den antiretroviralen Substanzen für die Einmal-täglich-Gabe gehören die nukleosidalen Reverse-Transkriptase-Hemmer (NRTI) Didanosin sowie Stavudin in Retardformulierung (noch nicht zugelassen) und der NNRTI Efavirenz; auch für bestimmte Protease-Inhibitoren wird die Dosierung einmal täglich kommen. Das in den USA bereits zugelassene Nukleotid-Analogon Tenofovir gehört ebenfalls in diese Kategorie. Viel zu oft versagt die initiale Therapie der chronischen HIV-Infektion. Laut B. Hirschel, Genf, ist es eher die Regel als die Ausnahme, dass die zunächst gewählte Kombination bald verändert wird (bzw. werden muss). In der Schweizer HIV-Kohorten-Studie erhielten ein Jahr nach dem Start einer hoch aktiven antiretroviralen Therapie (HAART) bereits 42% der Patienten nicht mehr das ursprünglich gewählte Regime. Nach zwei Jahren waren es 65%, nach drei Jahren 70%. Als Hauptgründe für den frühen Wechsel ließen sich Probleme mit der Verträglichkeit und dem komplizierten Einnahmeschema ermitteln; virologisches Versagen spielte eine deutlich geringere Rolle. Viel diskutiert wird nach wie vor die gefürchtete Lipodystrophie bei HIV-Patienten. Wie E. Martinez, Barcelona, deutlich machte, handelt es sich um ein multifaktorielles Geschehen. Neben der antiretroviralen Therapie spielen die HIV-Infektion selbst und patientenspezifische Charakteristika wie Alter, Geschlecht und Body Mass Index eine Rolle. Die Entwicklung derarti-ger Fettverteilungsstörungen scheint nicht bestimmten antiretroviralen Substanzen anzulasten zu sein, auch wenn es Interaktionen zwischen Protease-Inhibitoren (fördern die Entwicklung einer Insulinresistenz) und NRTI (verursachen eine mitochondriale Dysfunktion) zu geben scheint. Die Therapiedauer ist offensichtlich von weitaus größerer Bedeutung als einzelne Substanzen. So ist das Lipodystrophie-Risiko im ersten Jahr einer PI-haltigen Kombinationstherapie relativ gering; es steigt dann aber kontinuierlich an. Für virologische Wirksamkeit und Toxizität der antiretroviralen Therapie ist die Konzentration der verabreichten Medikamente im Serum von Bedeutung. Ob sich die Behandlung von HIV-Patienten durch das sog. therapeutische Drug-Monitoring (TDM) allerdings wirklich verbessern lässt, wird weiter diskutiert. Nach den Worten von D. Burger, Nijmegen, kamen kontrollierte klinische Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen: In der niederländischen ATHENA-Studie war bei therapienaiven Patienten nach einem Jahr ein positiver Effekt von TDM für die PI Nelfinavir und Indinavir auf die Behandlungsergebnisse nachweisbar. Dagegen zeigte die französische Pharmadept-Studie bei vorbehandelten Patienten keinen Nutzen von TDM. Vor allem bei Patienten mit resistenten Viren ist der Blutspiegel allein offensichtlich wenig aussagekräftig; hier muss zusätzlich die Resistenztestung herangezogen werden. Möglicherweise gibt es bestimmte Patientengruppen, die besonders profitieren, wie Kinder, Patienten mit problematischer Ko-Medikation, Leber- und Nierenkranke. Außerdem könnte TDM wertvolle Hinweise in puncto Adhärenz geben.

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