Intestinales Mikrobiom

Praxis-Depesche 7/2021

Auch die Blutgruppe hat Einfluss

Forschende der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) haben mögliche Einflüsse der Genetik auf die Ausprägung des Mikrobioms untersucht und konnten mittels einer großen Genomstudie Zusammenhänge bestimmter Genvarianten mit der Zusammensetzung der Bakterienbesiedlung im menschlichen Körper nachweisen
In den Daten von rund 9.000 Proband:innen wurde nach konkreten Verbindun- gen zwischen Genetik und besiedelnden Mikroorganismen gesucht. Das Forschungsteam vom Institut für Klinische Molekularbiologie (IKMB) konnte unter anderem einen bislang unbekannten Zusammenhang von für die Blutgruppe verantwortlichen genetischen Varianten und dem Vorkommen und der Häufigkeit bestimmter Bakterienarten im Mikrobiom des Darms belegen.
Es gelang den Wissenschaftler:innen, Darmmikrobiom-Proben aus fünf umfangreichen Kohorten von drei deutschen Standorten – vor allem aus Kiel, Augsburg und Greifswald – zu analysieren und damit die bundesweit größte sogenannte genomweite Assoziationsstudie (GWAS) durchzuführen. Dabei stieß das Forschungsteam auf 38 auffällige Genloci, die auf einen Zusammenhang von individueller Genetik und der Zusammensetzung des Mikrobioms hinweisen.
Die interessanteste Beobachtung wurde im Zusammenhang mit denjenigen genetischen Faktoren gemacht, die für die Ausprägung der Blutgruppe beim Menschen verantwortlich sind. Diese für das AB0-Blutgruppensystem verantwortlichen Gene entscheiden über die Zugehörigkeit zu einer der darin zusammengefassten Blutgruppen. Bei einigen Menschen, den sogenannten „Sekretoren“, werden diese Blutgruppenantigene nicht nur auf der Oberfläche von roten Blutkörperchen gebildet, sondern auch in den Darm abgegeben. Dies sind vor allem Zuckerreste, die von einigen Bakterien der Bacteroides-Gruppe vermutlich als Energiequelle genutzt werden können, sodass diese vermehrt vorkommen. Insbesondere bei Menschen mit den Blutgruppen A, AB oder B scheint der Mechanismus direkt das Vorkommen dieser Bakterien im menschlichen Darm zu begünstigen. Dieser Zusammenhang hat potenziell eine große gesundheitliche Bedeutung, denn bei etwa 20 % der weltweiten Bevölkerung, die zur Gruppe der „Nicht-Sekretoren“ gehören sowie bei Personen mit der Blutgruppe 0, fällt die Abgabe der Zuckerreste weg und ihre Mikrobiom-Zusammensetzung weicht in der Folge ab. Diese Stoffwechselprodukte scheinen wichtige Moleküle in der Interaktion von Wirt und verschiedensten Mikroorganismen zu sein. Frühere Studien konnten zeigen, dass Menschen ohne diesen Sekretionsweg zum Beispiel besser vor Norovirus-Infektionen geschützt sind. Die Identifizierung solcher Therapieziele ist ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg zu einer künftigen Behandlung beispielsweise von chronischen Darmentzündungen durch gezielte Veränderungen der Zusammensetzung des Mikrobioms, so die Einschätzung der Autor:innen. GFI
Quelle: Rühlemann MC et al.: Genome-wide association study in 8.956 German individuals identifies influence of ABO histo-blood groups on gut microbiome. Nat Genet 2021; 53(2): 147-155

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