Eine Art Guillain-Barré in chronischer Form

Praxis-Depesche 16/2005

Bei CIDP Axonverluste vermeiden

Die chronische inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) ist eine relativ häufige und potenziell behandelbare Erkrankung mit einer Prävalenz von ca. 0,5 pro 100 000 Kinder und 2 pro 100 000 Erwachsene. Die Unterscheidung von anderen chronischen sensomotorischen Polyneuropathien wie bei Diabetes, Alkoholkrankheit oder Malnutrition ist für die Therapie wichtig.

Die klassische CIDP kennzeichnet eine über mehr als zwei Monate progrediente symmetrische Schwächung der distalen und proximalen Muskulatur. Anders als das Guillain-Barré-Syndrom, eine akute Variante der entzündlichen demyelinisierenden Polyneuropathie, ist die CIDP selten infektassoziiert und nicht selbst limitierend. Die CIDP geht einher mit abgeschwächten bzw. erloschenen Sehnenreflexen, verminderter Sensibilität und erhöhtem Proteinspiegel im Liquor. Zeichen der Demyelinisierung finden sich bei der Bestimmung der Nervenleitgeschwindigkeit und in der Nervenbiopsie. Die Diagnose wird primär anhand der klinischen Symptomatik und der elektrophysiologischen Untersuchung gestellt. Liquorpunktion und Nervenbiopsie fordern manche Gremien nur in unklaren Fällen. Die klassische CIDP spricht gut auf Kortikosteroide an, was bei der Unterscheidung von anderen Formen erworbener demyelinisierender Polyneuropathien helfen kann. Die CIDP kann gemeinsam mit anderen Erkrankungen wie der HIV- oder der Hepatitis-C-Infektion, Sjögren-Syndrom, chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, Melanomen, Lymphomen und Gammopathien einhergehen, sowie mit Diabetes - eine diagnostische und therapeutische Herausforderung. Die Erkrankung kann in Schüben verlaufen oder chronisch progredient, wobei Infektionen und Fieber die Symptomatik verschlechtern können. Eine Therapie sollte möglichst frühzeitig begonnen werden, um sekundäre Axonverluste zu vermeiden. Am häufigsten eingesetzt werden Immunglobuline i.v, Plasmaaustausch und Kortikosteroide, die als gleich effektiv gelten. Bei der Auswahl spielen die Nebenwirkungen eine wichtige Rolle, vor allem die der Kortikoid-Langzeittherapie. Azathioprin, Cyclophosphamid und Ciclosporin werden vor allem in zweiter Linie eingesetzt, ohne dass kontrollierte Studien vorliegen. Ob Interferone wirken, ist unklar. Zudem sind CIDP-Fälle unter Interferonen aufgetreten. Zu anderen Substanzen gibt es nur wenige Daten. (MO)

Quelle: Köller, H: Chronic inflammatory demyelinating polyneuropathy, Zeitschrift: NEW ENGLAND JOURNAL OF MEDICINE, Ausgabe 352 (2005), Seiten: 1343-1356

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