85. Jahrestagung der Dt. Ges. für Kardiologie (DGK)

NATUR+PHARMAZIE 3/2019

ß-Blocker nicht zur „RR-Glättung“

Transatlantische Unterschiede bei den Blutdruckgrenzwerten – Psyche beeinflusst Antikoagulationserfolg – Synkopendiagnostik geht unter die Haut.
Blutdruck: Darf’s ein bisschen mehr sein?
Die Grenzwerte, die für die Definition eines Bluthochdrucks herangezogen werden sollen, sind seit einigen Jahren in Diskussion. Die US-amerikanischen Fachgesellschaften empfehlen seit 2017 einen oberen Grenzwert von 130/80 mm Hg. Die europäische Fachgesellschaft ESC lässt aber in ihren 2018 überarbeiteten Leitlinien die bisherige Empfehlung unangetastet, eine antihypertensive Pharmakotherapie erst beim Überschreiten von 140/90 mmHg zu initiieren. Prof. Felix Mahfoud, Homburg (Saar), begründet die Entscheidung mit dem – anders als bei niederschwelligeren Grenzwerten – eindeutigen Benefit einer medikamentösen Therapie. Bei Über-80-Jährigen wird ein Behandlungsgrenzwert von 160/90 empfohlen. Der neue Zielblutdruck-Korridor unter Therapie liegt für über 65-Jährige – sofern gut vertragen – bei 130 bis 140, für jüngere Erwachsene bei 120 bis 130 mmHg systolisch. Hinsichtlich des Problems der oft starken Blutdruckschwankungen bei älteren Menschen empfiehlt Mahfoud, bevorzugt Kalziumkanalblocker (CCB) einzusetzen. Dass ß-Blocker zum „Glätten“ stark schwankender Werte besonders geeignet sind, sei dagegen ein Mythos. Bei den weit verbreiteten Störungen von Fett- und Glucosestoffwechsel wirkten sich letztere negativ aus und fielen dadurch in vielen Fällen zugunsten anderer Antihypertensivaklassen zurück. Dem entsprechend werden sie auch in den Leitlinien erst in Stufe 3 aufgeführt, wenn eine Dreifachkombination aus ACE-Hemmer, Angiotensinrezeptorblocker und CCB nicht zielführend ist. Bei spezifischen Indikationen wie Herzinsuffizienz, KHK oder jüngeren Frauen mit Kinderwunsch sei eine ß-Blocker-haltige Kombination jedoch nach wie vor auch in der Primärtherapie angezeigt.
 
Depression, Vorhofflimmern und Antikoagulation
Forschende der Uni Mainz führten eine multizentrische Beobachtungsstudie mit insgesamt 1.405 an Vorhofflimmern Erkrankten durch, die Vitamin-K-Antagonisten einnahmen. Die durchschnittliche Beobachtungszeit betrug über zwei Jahre. In der Multivarianzanalyse erwiesen sich depressive Symptome als unabhängige Prädiktoren für einen ungünstigen Krankheitsverlauf, das heißt zu hohe INR-Werte, mehr Blutungsereignisse und eine signifikant erhöhte Gesamtmortalität (HR 1,09; 1,04 - 1,14; p < 0,01). Die Studie scheint erneut zu bestätigen, dass die Berücksichtigung der psychischen Gesundheit ein wichtiges Element in der Behandlung von Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist.
 
Loop-Rekorder – wichtiges Tool zur Synkopenabklärung
Vasovagale oder Reflex-Synkopen sind ein „Überreagieren eines normalen Reflexbogens des autonomen Nervensystems“, erklärte Prof. Wolfgang von Scheidt, Augsburg. Das Phänomen sei harmlos; jeder Zweite erlebe das mindestens einmal in seinem Leben. Allerdings sei die Abgrenzung zu anderen Ursachen plötzlicher Ohnmacht nicht immer trivial. Im ersten Schritt gelte es, das Problem anhand Anamnese, einschließlich der Fremdanamnese von Augenzeugen, und körperlicher Untersuchung näher einzugrenzen. Dabei seien nicht-synkopale Ursachen – wie eine Epilepsie oder andere neurologische Krankheitszustände – von „echten“ Synkopen abzugrenzen, die wiederum auf eine Reihe kardiologischer Erkrankungen hindeuten können. Besonders hellhörig wird Scheidt, wenn er von Verwandten des Patienten hört, die am plötzlichen Herztod gestorben sind. Nimmt man die körperliche Untersuchung einschließlich Auskultation, Blutdruckmessung im Liegen und Stehen, sowie das EKG hinzu, dann kommt man Scheidt zufolge bei fast der Hälfte aller Patienten bereits zu einer sicheren Diagnose. Kardiogene nicht-rhythmogene Ursachen, etwa eine Lungenembolie oder Aortenstenose, seien selten und fielen in der Regel früh durch charakteristische Zusatzbefunde auf. Übrig blieben dann zwei große Gruppen: Reflex- und rhythmogene Synkopen. Das zu diesem Zeitpunkt herangezogene Langzeit-EKG helfe nur bei 4 % der Betroffenen weiter, nämlich bei solchen, die sehr häufige Synkopen haben, und somit eine realistische Chance, innerhalb des sehr kurzen 24-Stunden-Überwachungszeitraums aufzufallen. Die beliebte Kipptischuntersuchung wiederum sei aufgrund ihrer sehr niedrigen Spezifität zur Klärung einer unklaren Synkopenursache ungeeignet. Hier komme dem tragbaren oder implantierbaren Loop-Rekorder eine wichtige Bedeutung zu. Mit letzterem könne man über einen Zeitraum von drei Jahren ein lückenloses EKG aufzeichnen und computergestützt auswerten. Scheidt p lädierte a n die Krankenkassen, ihre bislang ablehnende Haltung gegenüber dieser gut evaluierten Methode zu überdenken. TH

Alle im Rahmen dieses Internet-Angebots veröffentlichten Artikel sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch Übersetzungen und Zweitveröffentlichungen, vorbehalten. Jegliche Vervielfältigung, Verlinkung oder Weiterverbreitung in jedem Medium als Ganzes oder in Teilen bedarf der schriftlichen Zustimmung des Verlags.

x