ConVir 2000, München, 10.11.-12.11.2000

Praxis-Depesche 2/2001

Brainstorming über Viren

Zum ersten Mal fand im Herbst letzten Jahres in München ein Kongress für Viruskrankheiten statt. Ein Schwerpunkt der Vorträge und Diskussionen waren Epidemiologie, Diagnose und Behandlung solcher Viruserkrankungen, die neuerdings zunehmende Bedeutung erlangt haben, aber auch aktuelle Erkenntnisse über altbekannte Erreger.

Da Patienten mit viralen Erkrankungen in Deutschland aufgrund der unterschiedlichen Organmanifestationen der Infektionen von Ärzten der verschiedensten Fachrichtungen betreut werden, war es nach den Worten des geschäftsführenden Kongresspräsidenten, Prof. F.-D. Goebel, München, ein Anliegen der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI), einen Kongress zu etablieren, auf dem die Vertreter der zahlreichen Fachgebiete der Medizin die Möglichkeit zu gemeinsamen Diskussionen haben und ein Informationsaustausch zwischen Wissenschaft, Forschung, Klinik und Praxis staffinden kann. Der Kongress für Viruskrankheiten soll alle zwei Jahre durchgeführt werden. Die DGI will ihn als künftig als europäische Veranstaltung etablieren. In jüngster Zeit gab es Berichte, dass sich Patienten bei ihrem Arzt mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert hätten. Um einer solchen Übertragung vorzubeugen, müssen die HCV-Prävalenz und das Risisko einer HCV-Übertragung bei medizinischem Personal und Patienten bekannt sein. Eine epidemiologische Untersuchung dieser Art ist wegen der oft asymptomatisch verlaufenden HCV-Infektion nur mit Hilfe von serologischen Studien möglich. Über solche Analysen berichtete R. Laufs, Hamburg. Dazu wurden die Serumproben von 2 156 Mitgliedern des medizinischen Personals hinsichtlich HCV-Antikörpern und der Anwesenheit des Virus selbst untersucht. An einer vierjänrigen prospektiven Studie nahmen weitere 563 Ärzte und Krankenschwestern teil. Zusätzlich wurden die Beteiligten von 182 Nadelstichverletzungen bezüglich des Risikos einer HCV-Übertragung untersucht. Von den insgesamt 2 719 Mitarbeitern des medizinischen Personals waren 0,4% HCV-positiv. In der prospektiven Studie entwickelte weder ein Arzt noch eine Schwester, die in chirurgischen oder hepatologischen Abteilungen mit vielen HCV-Patienten tätig waren, eine HCV-Infektion. Nur eine der 182 Nadelstichverletzungen war mit einer HCV-Übertragung verbunden. Aufgrund dieser Ergebnisse kann man den Schluss ziehen, dass das medizinische Personal in Deutschland nur ein niedriges Risiko für eine im Krankenhaus erworbene HCV-Infektion trägt. Die Prävalenz innerhalb dieser Population unterschied sich mit 0,4% nicht von der in der Allgemeinbevölkerung. Zwischen dem 21. Februar und dem 28. April 2000 wurden insgesamt 26 Masernfälle in Greifswald diagnostiziert. Bei der Mehrzahl der Erkrankten (76,5%) handelte es sich um Erwachsene zwischen 21 und 49 Jahren. Grund für eine stationäre Behandlung waren Fieber, unklares Exanthem und akutes respiratorisches Versagen. Als wichtigste Komplikationen wurden Pneumonie, Kreislauflabilität und milde Symptome einer Enzephalitis beobachtet. Nur vier Patienten (15,4%) gaben in der Anamnese eine Masernimpfung an. Retrospektiv stellte sich als "Auslöser" des Ausbruchs eine Frau heraus, die zwei Wochen vor dem Auftreten der ersten Erkrankungsfälle von einer Reise aus Sri Lanka zurückgekehrt war. Die Genotypisierung von drei Isolaten wies Unterschiede zu den in Deutschland zirkulierenden Genotypen (C2, D6) von 12,3% (Isolat Stuttgart/96) bzw. 8,8% (Isolat Berlin 28/96) auf. Verantwortlich für die Masernausbreitung in Greifswald ist eine inkonsequente Immunsierung. Außerdem weist ein bestimmter Anteil in einer geimpften Population niedrige Masernantikörper-Spiegel auf, die vor einer Reinfektion mit dem veränderten Wildtyp nicht schützen. Schließlich dürfte der Ferntourismus dazu beitragen, dass Masern in Regionen mit erfolgreicher Unterbrechung der Transmission eingeschleppt werden, erläuterte R. Mentel, Greifswald. Eine Umkehrung des CD4/CD8-Verhältnisses (Helfer- zu Suppressor-Lymphozyten), chronische Müdigkeit und rezidivierende Infektionen können bei erwachsenen Patienten mit Mononukleose, einer Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus, bis zu 32 Monate nach Beginn der Erkrankung andauern. Dies zeigte die Beobachtung (18 bis 38 Monate) von drei erwachsenen Patienten (zwei Männer und eine Frau) zwischen 20 und 34 Jahren, deren IgM-Titer auf eine akute EBV-Infektion hindeuteten. Sie alle wiesen zum Zeitpunkt der Diagnose eine Umkehr der CD4/CD8-Ratio auf (0,21 bis 0,31). Bis zur Normalisierung des CD4/CD8-Verhältnisses dauerte es 13, 25 bzw. 43 Monate. Zwei der drei Patienten litten unter rezidivierenden Atemwegsinfekten. Alle drei Patienten klagten über chronische Müdigkeit. Initial wurden bei allen drei Patienten Splenomegalie, Lymphadenopathie und eine Erhöhung der Leberenzyme festgestellt. Aufgrund der in dieser Untersuchung festgestellten langen Erkrankungsdauer ist nach J. R. Bogner, München, bei der Behandlung erwachsener Patienten mit Mononukleose sehr viel Geduld notwendig, unabhängig davon, dass die medizinische Literatur einen gutartigen Verlauf bei Patienten ohne existierende Immundefizite beschreibt. Mit einem kurzen, gutartigen Verlauf ist nach wie vor bei jungen Patienten zu rechnen.

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