Kongress DGE

Gyn-Depesche 2/2021

Brechende Knochen

Der 64. Deutsche Kongress für Endokrinologie befasste sich unter anderem mit Störungen des Knochenstoffwechsels – auch der Osteoporose, die ein wichtiges Thema für die Gynäkologie ist.
Interdisziplinäre Versorgung
In ihrem Beitrag zur interdisziplinären Versorgung der Osteoporose in einer alternden Gesellschaft stellte Prof. Heide Siggelkow, Universitätsklinikum Göttingen, fest, dass niedrig traumatische und traumatische Frakturen bei Frauen > 50 und bei Männern > 60 Jahren eine Indikation für eine weitere Diagnostik sind. So war das Risiko, eine Folgefraktur zu erleiden, innerhalb der ersten zwei Jahre nach einer initialen Fraktur am höchsten. Über 10 % der Patient:innen mit vertebraler oder Hüftfraktur zeigten eine Folgefraktur innerhalb von einem Jahr, wobei die Zeit zur Folgefraktur im Durchschnitt 145 Tage betrug.
Patient:innen haben nach einer Hüftfraktur eine geringere Lebensqualität. Und trotzdem – selbst nach mehreren Frakturen erhält nur jede:r zweite Patient: in eine entsprechende Behandlung, obwohl die Therapie der Osteoporose zahlreiche positive Nebeneffekte mit einer Häufigkeit im zweistelligen Prozentbereich im Vergleich zu Nebenwirkungen im Promillebereich beinhaltet. Die Diagnose einer Osteoporose kann erst nach Ausschluss anderer Erkrankungen sicher gestellt werden. In diesem Zusammenhang verwies Siggelkow auf das FLS-CARE-Projekt (FLS: Fracture Liaison Service) zur Implementierung einer integrierten Versorgungsstruktur mit dem Ziel der Vermeidung osteoporosebedingter Folgefrakturen. Sie berichtete über die Erfolge der zweiten Phase des FLS an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), wo nach der Einführung einer FLS-Koordinatorin die weitere Diagnostik und Behandlung stark optimiert wurden. So entschieden sich über 50 % der 633 Patient:innen mit entsprechender Fraktur zu einer FLSAufnahme. Aktuelle Entwicklungen wie die Förderung des FLS, die Auflage eines neuen Disease-Management-Programms (DMP) Osteoporose Anfang 2020 oder Kampagnen des Aktionsbündnisses Osteoporose (Knochen.Stark.Macher) werden die dramatische Unterversorgung der Menschen mit Osteoporose in Deutschland verbessern, so Siggelkow.
 
Genetik und Osteporose
Prof. Uwe Kornak, Facharzt für Humangenetik der Universitätsmedizin Göttingen, verwies im Rahmen seines Vortrags zur Genetik der juvenilen Osteoporose darauf, dass auch erblich bedingte Funktionsstörungen basierend auf häufigen, aber auch seltenen Genvarianten durch verzögerten Knochenaufbau oder beschleunigten Knochenabbau zu einer pathologisch niedrigen Knochenmineraldichte (BMD) führen können. Derzeit lässt sich ca. 20 % der BMD-Varianz, die das Risiko der Alters-Osteoporose beeinflusst, durch häufige Varianten in über 500 Genloci erklären. Bei einem signifikanten Teil der erwachsenen Patienten mit frühmanifester, also vor dem 55. Lebensjahr auftretender Osteoporose handelt es sich jedoch um seltene Varianten der monogenen Krankheitsursache. Aufgrund der sehr oft moderaten, aber auch variablen klinischen Manifestation bietet die genetische Diagnostik die Möglichkeit einer zuverlässigen molekularen Zuordnung der Erkrankung, einer Abschätzung der Prognose und passenden Therapieauswahl. Mithilfe eines polygenen Risiko- Scores wäre in einem nächsten Schritt die Übertragung eines solchen personalisierten Ansatzes auch auf die Altersosteoporose vorstellbar. GH

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