Ein Tabu bei der Gesprächsführung?

Praxis-Depesche 5/2017

Colloquium interruptum

Ärzte unterbrechen Patienten beim Gespräch häufig und lassen sie nicht ausreden – so zumindest ein gängiges Vorurteil. Nun elaborierte ein Kollege, dass das „gekonnte“ Unterbrechen zum einen einen wertvollen Beitrag zur Gesprächsführung leisten kann, und zum anderen Patienten selbst ihre Ärzte häufig unterbrechen.

1984 wurde eine Studie veröffentlicht, die zeigte, dass Ärzte ihre Patienten im Gespräch im Durchschnitt nach 18 Sekunden zum ersten Mal unterbrachen. Diese Studie fand durchaus Beachtung, wurde sie doch allein im Jahr 2016 mindestens 50 Mal zitiert. In der Laienpresse las man oft: „Ärzte sind keine guten Zuhörer“. Fragt man allerdings Ärzte selbst, ob sie ihre Patienten im Gespräch unterbrechen, lautet die Antwort meistens „Ja selbstverständlich!“, oft kombiniert mit dem Hinweis „Ich weiß, ich verstoße damit gegen ein Tabu.“
Allerdings führt gekonntes Nachfragen während des Arzt-Patienten-Gesprächs durchaus dazu, mehr und bessere Informationen zu erhalten. Ein häufiges Problem stellt zum Beispiel beim Zeitmanagement die Tatsache dar, dass Patienten häufig erst nach einer ganzen Weile mit ihrem eigentlichen oder einem weiteren Problem herausrücken, à la „Ach ja, was ich auch noch einmal fragen wollte ...“ Um die Konsultationszeit bestmöglich im Sinne des Patienten zu nutzen, empfiehlt sich daher eine kurze Unterbrechung des Patienten zu Beginn des Gesprächs, zum Beispiel: „Entschuldigen Sie kurz eine Zwischenfrage. Ehe wir über dieses Thema weiter sprechen, gibt es noch andere Dinge, die für Sie heute wichtig wären zu besprechen?“ Danach kann man die Gesprächszeit besser planen, und der Patient mit seiner Schilderung fortfahren.
Apropos: Eine Studie aus 1995 fand heraus, dass auch Patienten ihre Doctores ebenso häufig während des Gesprächs unterbrachen wie anders herum. CB
Quelle:

Mauksch LB: Questioning a taboo – physicians‘ interruptions during interactions with patients. Jama 2017; 317: 1021-2

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