Geschlechterspezifische Unterschiede

Praxis-Depesche 4/2022

COPD bei Frauen auf dem Vormarsch

Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) betrifft heute nicht mehr überwiegend Männer. Zwischen Männern und Frauen mit COPD bestehen jedoch deutliche Unterschiede, beispielsweise hinsichtlich des Risikos, der klinischen Manifestation und der Behandlung.
Kommentar
Die COPD betrifft nicht mehr überwiegend Männer. Frauen scheinen im Vergleich anfälliger für die schädlichen Auswirkungen des Rauchens zu sein und haben eine stärker eingeschränkte Lebensqualität, häufigere Exazerbationen, aber weniger kardiovaskuläre Komorbiditäten.
Die COPD-Prävalenz bei Frauen steigt seit 2008 kontinuierlich an und entspricht teilweise der von Männern. In einigen Ländern ist die COPD-Prävalenz bei Frauen sogar höher als bei Männern, und sie nimmt insbesondere bei jüngeren Frauen schneller zu als bei Männern. Gleichzeitig mehren sich die Hinweise darauf, dass Frauen bei einem bestimmten Risikoexpositionsgrad anfälli ger für eine COPD sind oder bei ihnen die Erkrankung früher auftritt bzw. schneller voranschreitet. Beispielsweise tragen Raucherinnen ein größeres Risiko an einer COPD zu erkranken als Raucher.
Auch hinsichtlich der klinischen Manifestationen einer COPD unterscheiden sich Frauen und Männer. So haben COPD-Patientinnen eine schlechtere Lungenfunktion und gesundheitsbezogene Lebensqualität als Männer. Sie berichten tendenziell mehr Symptome bei gleicher Schwere der Erkrankung.
 
Weniger Husten, aber höhere Krankheitslast
Frauen in einem bestimmten Alter mit COPD leiden häufiger an Angststörungen (Angst-Score 9,8 vs. 7,1), Depressionen und Osteoporose als Männer, jedoch seltener an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch die Lebensqualität ist bei Frauen stärker beeinträchtigt (SGRQ-Scores 50,6 vs. 45,4; p < 0,02). Außerdem tragen Frauen eine höhere Krankheitslast mit einer stärkeren Dyspnoe, auch nach Adjustierung auf Alter und FEV1, und ihre körperliche Leistungsfähigkeit ist deutlich stärker eingeschränkt. Jedoch berichten Frauen seltener über Husten und Auswurf.
Frauen weisen ein höheres Exazerbationsrisiko auf. Schätzungen gehen von einem um 17 % höheren Risiko für eine erste mäßige oder schwere Exazerbation im Vergleich zu Männern aus (Hazard Ratio, HR 1,17; 95 %-KI 1,12 - 1,23). Die mediane Zeit bis zur ersten Exazerbation liegt bei 504 versus 637 Tagen.
Im Vergleich zu Männern weisen Frauen außerdem ein erhöhtes Risiko für einen Krankenhausaufenthalt wegen COPD auf. Folglich nimmt der Frauenanteil unter den hospitalisierten Personen mit COPD-Exazerbationen zu. Allerdings scheinen Männer eine schlechtere Prognose mit einer höheren 30- und 90-Tage-Mortalität zu haben.
 
Kaum Spirometrien bei Frauen
Aufgrund einer verzerrten Wahrnehmung der COPD bei vielen Behandler:innen gibt es bei Frauen eine höhere Rate an Fehloder Spätdiagnosen, was möglicherweise eine suboptimale Behandlung nach sich zieht. Die Spirometrie wird zur Diagnose einer COPD insbesondere bei Frauen zu wenig genutzt. Außerdem fehlt es in den meisten Studien an geschlechtsspezifischen Analysen.
Verglichen mit Männern wenden sich Frauen mit COPD zwar eher an ihre Ärztin oder ihren Arzt, aber sie erhalten weniger Medikamente und nicht-pharmakologische Interventionen. Auch bezüglich der Raucherentwöhnung schneiden Frauen schlechter ab: M änner haben eine höhere anhaltende Raucherentwöhnungsrate. GS
Quelle: Zysman M, Raherison-Semjen C: Women’s COPD. Front Med (Lausanne) 2022; 8: 600107
ICD-Codes: J44.9

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