Weniger Atopie

Praxis-Depesche 10/2016

Daumenlutschen und Nagelkauen mindert Allergierisiko

Nach der Hygiene-Hypothese verringert sich das Allergierisiko, wenn man als Kind mehr mit verschiedenen Mikroorganismen konfrontiert wurde. Folgt man dieser Hypothese, sollten Kinder, die ihre Daumen lutschen oder an den Fingernägeln kauen, seltener Allergien entwickeln als Kinder, die die Finger nicht so oft in den Mund stekken. Nun zeigten Forscher aus Neuseeland: Das stimmt!

Die umstrittene Hygiene-Hypothese erklärt zwar, warum Kinder in Großfamilien seltener Allergien entwickeln, nicht aber, warum gerade Kinder in „unhygienischen“ Innenstadtbezirken verstärkt zu allergischen Erkrankungen neigen. Aktuelle Daten aus Dunedin, einer Küstenstadt Neuseelands, liefern nun ein neues Argument für die Gültigkeit der Hypothese.
Dort befragte man die Eltern von rund 1000 Kindern mit Geburtsjahr 1972/73 im Kindesalter von fünf, sieben, neun und elf Jahren, ob ihre Söhne und Töchter häufig ihre Daumen lutschten oder an ihren Fingernägeln kauten. Ab dem neunten Lebensjahr der Kinder wurden Asthmaerkrankungen und Heuschnupfen erfasst und im Alter von 13 und 32 Jahren Pricktests auf gängige Allergene wie Hausstaubmilben, Haustiere und Gräser durchgeführt.
Eine atopische Sensibilisierung entwickelten insgesamt 45% der Jungen und Mädchen. Die Prävalenz war unter den Daumenlutschern oder Nagelkauern – mindestens eins davon tat etwa jedes dritte Kind – signifikant geringer als bei jenen ohne orale Angewohnheit (40 vs. 49%). Kinder, die sowohl Daumen als auch Nägel in den Mund nahmen, hatten noch seltener eine atopische Sensibilisierung (31%). Der Zusammenhang galt auch unter Berücksichtigung des Geschlechts und verschiedener Allergie-relevanter Einflussfaktoren, z. B. Stillen, Haustiere, elterliches Rauchverhalten und Personenzahl im Haushalt. Insgesamt reduzierten das Daumenlutschen und/oder Kauen der Fingernägel das Risiko einer atopischen Sensibilisierung bis ins Erwachsenenalter um rund 30 bis 40%.
Demnach haben die bei Kindern ungern gesehenen Verhaltensmuster durchaus auch ihre Vorteile. Zum Daumenlutschen und Nägelkauen animieren sollte man seine Kinder aber deswegen nicht. OH
Quelle:

Lynch SJ et al.: Thumb-sucking, nail-biting, and atopic sensitization, asthma, and hay fever. Pediatrics 2016; 138(2): e20160443

ICD-Codes: T78.4

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