Praxis-Depesche 15/2006

Dem Phäochromozytom auf der Spur

Das klinische Bild bei Phäochromozytom kann sehr stark variieren; am häufigsten finden sich Episoden von Kopfschmerz, Schwitzen, Herzklopfen und Hypertonie. Nach dem Tumor muss man bei diversen Konstellationen sowie Syndromen fahnden. Wird er früh entfernt, ist die Prognose hervorragend, aber schlecht, wenn Malignität mit Metastasen besteht.

Die Katecholamin-produzierenden Phäo chromozytome entstehen aus chrom affinen Zellen des Nebennierenmarks (80 bis 85%) oder von Paraganglien (15 bis 20%), letztere üblicherweise im Bauchraum. Die Prävalenz bei hypertensiven Ambulanz-Patienten beträgt 0,1 bis 0,6%, in Autopsie-Studien 0,05%, was darauf schlie ßen lässt, dass viele Tumoren nicht entdeckt werden und zu verfrühtem Tod führen.

Hereditäre Phäochromozytome sind Teil der multiplen endokrinen Neoplasie Typ 2 (mit C-Zell-Karzinom und Nebenschilddrüsen-Hyperplasie), der von-Hippel-Lindau-Erkrankung Typ 2, der Neurofibromatose Typ 1 und der familiären Paragangliome. Sporadische Fälle werden vor allem bei 40- bis 50-Jährigen diagnos tiziert, hereditäre meist unter 40 Jahren erkannt. Die Tumoren sind selten bei Kindern und dann meist extrarenal, multifokal und hereditär.

Symptome

Die meisten, aber nicht alle Symptome sind direkte Folge der erhöhten Katechol amin-Ausschüttung. Am häufigsten sind Hypertonie (in 30% anfallsweise, in 50 bis 60% dauernd; zwischen Attacken kann der Druck erhöht oder normal sein), Tachykardie (50 bis 70%), Blässe (40 bis 45%), Kopfschmerzen (60 bis 90%) sowie Angst- und Panik attacken (20 bis 40%). Metabolische Folgen sind Hyper glyk ämie (40%), Laktazidose und Gewichtsverlust (20 bis 40%). Etwas weniger häufig finden sich u. a. Übelkeit, Fieber und Flushs, relativ oft eine orthostatische Hypotonie.

Differenzialdiagnose

Ähnliche Bilder bieten manchmal endokrine Erkrankungen (Hyperthyreose, Karzinoid, Hypoglykämie, medulläres Schilddrüsen-CA, Mastozytose, menopausales Syndrom), kardiovaskuläre (Herz insuf fizienz, Arrhythmien, ischämische Herz erkran kung, gestörter Baroreflex) und neurologische Leiden (Migräne, Schlaganfall, dienzephale Epilepsie, Meningeom, lageabhängiges orthostatisches Tachykardie-Syndrom). Außerdem kommen diverse andere Erkrankungen in Frage wie Porphyrie, Angst- und Panikstörungen, artifizielle Störungen wie Einnahme von Sympathomimetika wie Ephedrin oder Drogen wie Kokain sowie Medikation, z. B. mit MAO-Hemmern, oder Clonidin-Entzug.

Diagnose

Alle Patienten mit V. a. Phäochromozytom sollten biochemisch getestet werden. Dazu zählen solche mit paroxysmalen Symp tomen, mit neu aufgetretenem, therapieresistentem oder intermittierendem Hochdruck, mit paradoxer Blutdruckreaktion während einer OP oder Narkose, mit hereditärer Disposition für ein Phäochromozytom und Patienten mit adrenalem Inzidentalom oder plötzlichen Angst attacken. Screening bei Hypertonikern ohne weitere Symptome ist nicht angezeigt.

Früher wurden die Katecholamine im Plasma und Urin bestimmt und im Urin Normetanephrin, Metanephrin sowie Vanillinmandelsäure. Heute lassen sich auch die freien Metanephrine im Plasma erfassen. Sie oder die fraktionierten Metanephrine im Urin dürften der sensi tivs te Parameter sein. Bildgebendes Verfahren der Wahl ist das dem CT gleichwertige MRT. Bei der Abklärung von Raumforderungen lässt sich die 123I-MIBG-Szintigraphie (123I-Meta-Jod-Benzylguanidin) einsetzen. Von den Patienten mit biochemisch nachgewiesenem Phäo chro mo zytom profitieren vom zusätzlichen Einsatz am meisten diejenigen mit extraadrenalem oder großem Tumor sowie V. a. multifokale Erkrankung. Auch PET kann manchmal gute Dienste leisten.

OP-Vorbereitung

Eine medikamentöse Vorbehandlung ist nötig, um intraoperative Katecholamin-induzierte Komplikationen wie hypertensive Krisen, Arrhythmien, Lungenödem und kardiale Ischämien zu verhindern. Bei adäquater Vorbehandlung liegt die perioperative Mortalität inzwischen unter 3%. Größere Studien zur Prämedikation gibt es nicht. Traditionelle Regime schließen eine Alphablockade ein, z. B. mit Phenoxybenzamin, Prazosin, Doxazosin oder Urapidil.

Phenoxybenzamin wird oft bevorzugt, weil es die Alpharezeptoren nicht-kompetitiv hemmt, manche Gruppen ziehen Doxazosin vor. Die Vorbehandlung mit einem Alphablocker in steigender Dosierung kann meist ambulant erfolgen. Nach einigen Therapietagen (nie zuvor!) kann ein Betablocker (besonders für Patienten mit Tachyarrhythmien) hinzukom men. Vor dem Eingriff sollten bestimmte Kriterien beim Blutdruck und im EKG erfüllt sein.

OP und Malignität

Phäochromozytome können laparos kopisch oder konventionell reseziert werden. Beobachtende Studien haben ergeben, dass das laparoskopische Vorgehen die postoperative Morbidität reduziert.

Die Prognose bei isolierten sporadischen Tumoren ist sehr gut, in der Hälfte der Fälle persistiert jedoch die Hypertonie. Rezidive sind bei extraadrenalen Phäo chromozytomen häufiger als bei adrenalen und bei familiärer Disposition häufiger als in sporadischen Fällen (33 bzw. 13%).

Alle Patienten sollten mindestens zehn Jahre lang einmal jährlich nachuntersucht werden, bei extraadrenalen oder familiären Phäochromozytomen lebenslang.

Früher galt die Regel, dass ca. 10% der Tumoren Malignome sind. Heute weiß man, dass die Quoten bei extrarenaler Lage (Anteil bis zu 20%) bei ca. 33% liegen und bei Paragangliom-Syndromen bestimmter Genetik noch höher. Ob sich aus dem Tumor ein malignes Leiden entwickeln wird, lässt sich histologisch nicht feststellen, die Diagnose malignes Phäo chromozytom wird nur anhand von Metastasen gestellt. (UB)

Quelle: Lenders, JWM: Phaeochromacytoma, Zeitschrift: THE LANCET, Ausgabe 366 (2005), Seiten: 665-675
Das könnte Sie auch interessieren

Alle im Rahmen dieses Internet-Angebots veröffentlichten Artikel sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch Übersetzungen und Zweitveröffentlichungen, vorbehalten. Jegliche Vervielfältigung, Verlinkung oder Weiterverbreitung in jedem Medium als Ganzes oder in Teilen bedarf der schriftlichen Zustimmung des Verlags.

x