Praxis-Depesche 5/2002

Die Arthrose im Griff

In drei Übersichtsarbeiten fassen deutsche Experten das Vorgehen bei Diagnostik und Therapie der Arthrose zusammen.

Es gibt kein einzelnes, für sich allein aussagekräftiges Symptom der Arthrose, sondern mehrere - typische aber unspezifische - Zeichen, die auf das Vorliegen einer Arthrose hindeuten. Dies sind: - Schmerz - Funktionseinschränkung - Krepitation - tastbare Osteophyten - vergröberte Gelenkkonturen - Schwellung - Erguss - Achsabweichung - Instabilität Die klinischen Zeichen werden in drei Stadien eingeteilt: - Stumme (latente) Arthrose: radiologische bzw. morphologische Zeichen einer degenerativen Gelenkerkrankung, aber keine klinisch bedeutsamen Zeichen, insbesondere keine Schmerzen - Manifeste Arthrose: deutlicher Schmerz und messbare Funktionseinschränkungen - Aktivierte Arthrose: Neben dem ausgeprägten Schmerz liegt eine Ergussbildung, sichtbare Schwellung und deutliche Funktionseinschränkung vor. Zur Sicherung der Diagnose und zum Ausschluss anderer Erkrankungen werden Standard-Röntgenaufnahmen des betroffenen Gelenks in mindestens zwei Ebenen angefertigt. Der Vergleich mit Standardreferenz-Atlanten ermöglicht eine Stadieneinteilung. Insbesondere in den frühen Stadien besteht keine enge Korrelation zwischen radiologischem Stadium und klinischem Befund. Ein typisches Arthrosezeichen ist v. a. die Verschmälerung des Gelenkspaltes. Synovial-Analyse: Das Gelenkpunktat weist bei der Arthrose eine typische Konstellation auf (Farbe und Aussehen der Synovia, Viskosität, Zahl und Art der Zellen, Nachweis von Kristallen). Der Fadenziehtest ermöglicht eine Unterscheidung zwischen arthrotischem und entzündlichem Gelenkerguss. Standard-Parameter: Die üblichen Blut-Laborwerte dienen der Abgrenzung eines entzündlichen Geschehens. Die Bestimmung anaboler und kataboler Marker des Knochenstoffwechsels hat sich bislang nicht durchgesetzt. Das Kernspintomogramm kann in der Abgrenzung zu anderen Krankheitsbildern eine wertvolle Ergänzung sein. Außerdem hilft es im Einzelfall bei der Therapieentscheidung zu rekonstruktiven operativen Eingriffen. Die Rolle der Knochenszintigraphie für die Prognose und therapeutische Beeinflussbarkeit muss noch weiter erforscht werden. Eine Indikation besteht im Einzelfall zum Ausschluss anderer, v. a. entzündlich-rheumatischer Krankheiten. In der nichtmedikamentösen konservativen Therapie stehen vielfältige Therapieen zur Verfügung. Die Empfehlungen beruhen häufig auf Erfahrungswerten. Gewichtsabnahme: Eine Gewichtsreduktion von 5 kg geht mit einer Reduktion symptomatischer Gonarthrosen von 50% einher. Bei symptomatischen Arthrosen lässt sich durch Verringerung des Körpergewichts die Schmerzintensität lindern. Sport und Bewegung: Die Grenze zwischen erforderlicher günstiger Belastung und schädigender Überlastung ist schwierig zu definieren. Freizeitsport in vernünftiger Intensität scheint keinen schädigenden Einfluss zu besitzen, während Wettkampfsportarten das Risiko erhöhen. Kontrolliertes Ausdauertraining mit forciertem Gehen (Walking) kann bei gesicherter Gonarthrose zu einer deutlichen Verbesserung der Schmerzsituation und Reduktion des Medikamentenverbrauchs führen. Krankengymnastik: Krankengymnastische Übungen und Bewegungstherapie sind aufgrund der bisherigen Datenlage insbesondere für Patienten mit Gonarthrose nachdrücklich zu empfehlen. Kälte- und Wärmetherapie: Kontrollierte klinische Studien fehlen. Kryotherapie wird bei aktivierter Arthrose eingesetzt. Die Verbesserungen der Beweglichkeit sind wahrscheinlich auf die Schmerzreduktion zurückzuführen. Wärmetherapie führt zu Muskelrelaxation und Anhebung der Schmerzschwelle. Infolge der verbesserten Dehnbarkeit des Bindegewebes bietet sie sich zur Kombination mit anderen Behandlungstechniken an. Elektrotherapie: Die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) zeigt bei Gonarthrose schmerzlindernde Effekte. Weitere Verfahren sind z. B. Iontophorese zur Verbesserung der transkutanen Applikation von Pharmaka oder Elektroakupunktur, die einer Studie zufolge schmerzlindernde Effekte erzielt. Balneotherapie: Zwar liegen Berichte über anhaltende positive Effekte hinsichtlich Schmerzreduktion, Steife und Beweglichkeit vor, die methodische Qualität der Studien ist allerdings relativ schlecht. Ziel der Pharmakotherapie ist die Symptomlinderung, wobei eine aktivierte oder passager schmerzhafte, dekompensierte Arthrose wieder in den latenten (stummen) Zustand überführt werden soll. Dieses Ziel lässt sich fast immer durch den Einsatz von Analgetika (z. B. Paracetamol), nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAR) oder intraartikulär applizierten Glukokortikoiden erreichen. Da NSAR mit dem Risiko einer gastrointestinalen Toxizität behaftet sind, muss - insbesondere bei Risikopatienten - eine prophylaktische Medikation (z. B. gleichzeitige Gabe von Misoprostol) erfolgen oder der Wechsel auf einen selektiven COX-2-Hemmer erwogen werden. Als Alternative zu den NSAR und Paracetamol stehen einige Präparate zur Verfügung, die als SADOA ("slow acting drugs in osteoarthritis") bezeichnet werden. Hierzu zählen intraartikulär injizierte Hyaluronsäure-Präparate, die z. B. angewendet werden können, wenn Kontraindikationen für die Applikation von nichtselektiven NSAR oder selektiven COX-2-Hemmern bestehen. Die Effekte einer Therapie mit Glucosaminsulfat werden derzeit noch evaluiert. (UB)

Quelle: Steinmeyer, J: Medikamentöse Therapie der Arthrose, Zeitschrift: ORTHOPÄDE, Ausgabe 30 (2001), Seiten: 856-865: , Zeitschrift: , Ausgabe (): , Zeitschrift: , Ausgabe ()

Alle im Rahmen dieses Internet-Angebots veröffentlichten Artikel sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch Übersetzungen und Zweitveröffentlichungen, vorbehalten. Jegliche Vervielfältigung, Verlinkung oder Weiterverbreitung in jedem Medium als Ganzes oder in Teilen bedarf der schriftlichen Zustimmung des Verlags.

x