Der klinische Eindruck im Rahmen eines "unstrukturierten Interviews" - in der Allgemeinarzt-Praxis meist Basis der Diagnose - reicht für eine differenzierte Beurteilung der Insomnie nicht aus. Vielmehr bedarf es der gezielten Erhebung gegenwärtiger und vergangener Schlafprobleme. A Schlafmedizinische Anamnese: Die Basis der schlafmedizinischen Anamnese ist die gezielte Abfrage der wichtigsten Schlafstörungssymptome wie Schnarchen, Apnoe-Zustände, Hyper-Arousals, periodische Beinbewegungen / Restless Legs, Änderungen des Schlaf-Wach-Zyklus etc. Die umfassende Eruierung der medizinischen und psychiatrischen Komorbidität sowie von Medikamenten- und Drogenkonsum ist zwingend notwendig zur Unterscheidung zwischen primären und sekundären Insomnie-Formen. A Polysomnographie: Sie sollte nicht routinemäßig zur Diagnostik von Schlafbeschwerden oder gar zum Screening eingesetzt werden, sondern erst, wenn sich der Verdacht auf eine spezifische Schlafstörung wie dem obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom, der periodischen Gliedmaßenbewegung, der Narkolepsie etc. ergeben hat. A Testverfahren: Der Multiple Schlaflatenz-Test (MLST) und ähnliche Tests sind vor allem jenen Fällen vorbehalten, in denen es um die Objektivierung einer ausgeprägten Tagesmüdigkeit bei schon erhärteter Verdachtsdiagnose, beispielsweise auf Narkolepsie, geht. A Subjektives Patienten-Rating: Schlaftagebücher, Patienten-Fragebögen wie die "Epworth Sleepiness Scale", Symptom-Checklisten oder auch psychologische Tests und die Befragung des Bettpartners können dazu beitragen, das Schlafproblem des Patienten einzugrenzen, schlafgestörte Personen von Gesunden zu unterscheiden und - vor allem - die individuelle Wahrnehmung der Beschwerden durch den Patienten festzustellen. Sie sind ferner der Beurteilung der Therapiewirkung dienlich. Zur Differenzierung verschiedener Schlafstörungen tragen diese Instrumente meist wenig bei. A Andere Diagnosemaßnahmen: Hinsichtlich der Anwendung ambulanter Diagnosesysteme ("portable sleep studies"), der Aktigraphie und anderer alternativer Untersuchungsmethoden existieren noch keine "Evidence-based"-Einschätzungen, ob sie in der Diagnostik der chronischen Insomnie wirklich zweckdienlich eingesetzt werden können.
Chronische Insomnie
Praxis-Depesche 23/2000
Die Diagnose hieb- und stichfest machen
Chronische Insomnie ist in westlichen Industriegesellschaften bekanntlich überaus häufig. Der Einfluss auf Alltagsaktivitäten und allgemeinen Gesundheitszustand wird meist unterschätzt. Die American Academy of Sleep Medicine formulierte "Evidence-based"-Empfehlungen, welche (differenzial-) diagnostischen Maßnahmen bei Patienten mit Ein- und Durchschlafproblemen eingesetzt werden sollten.
Quelle: Chesson, AL: Practice parameters for the evaluation of chronic insomnia. An American Academy of Sleep Medicine report. Standards of practice, Zeitschrift: SLEEP, Ausgabe 23 (2000), Seiten: 237-241