Handy+Stethoskop

Telemedizin wird smarter

Praxis-Depesche 4/2022

Die digitalen Gesundheits-Apps kommen

Mit Inkrafttreten des Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) können bestimmte Gesundheits- oder Medizin-Apps für gesetzlich Versicherte zu einer Kassenleistung werden. Man spricht in diesem Zusammenhang von „digitalen Gesundheitsanwendungen“ kurz, „DIGA“, die in einem eigenen Verzeichnis gelistet sind.
Generell in Frage kommen Apps, die bei Krankheiten, Verletzungen oder Behinderungen eine Unterstützung beim Erkennen, Verhüten, Lindern oder Behandeln bieten. Ein Blick auf die bisher verfügbaren DIGA zeigt deutlich erkennbare Trends. Besonders verbreitet sind:
• Elektronische Tagebücher für das Monitoring chronischer Erkrankungen wie Asthma und COPD
• Apps für das elektronische Adhärenz- Management
• Fitness-Apps zur Anleitung und Unterstützung körperlicher Aktivität
• Add-ons für existierende Inhalationsgeräte, mit welchen eine Elektronik von außen an das Inhalationsgerät angebracht wird und mit einer App kommuniziert
• Sogenannte „Smart-Devices“: Dabei handelt es sich um Inhalationsgeräte, welche bereits Elektronik in sich verbaut haben und ebenfalls mit einer App kommunizieren. Welches Zwischenfazit lässt sich für die digitalen Gesundheitsanwendungen generell und speziell für die Gesetzliche Krankenversicherung ziehen?
Aus Patientensicht schaffen DIGA eine neue Behandlungsmöglichkeit, die ortsund zeitunabhängig vom Arztbesuch durchgeführt werden kann. Durch die Apps könnten sich also im Idealfall Versorgungslücken für einzelne Versichertengruppen schließen lassen. Es fehlt jedoch häufig an gezielter Begleitung durch ärztliches Personal sowie Informationen für diese Zielgruppen.
Aus Sicht der Hersteller sind die meisten wohl sehr zufrieden mit der geschaffenen Möglichkeit, digitale Gesundheitsanwendungen im ersten Gesundheitsmarkt erstattet zu bekommen („80 % der DIGA gäbe es nicht, wenn es den Fast-Track nicht gäbe!“ – Experteninterview). Dies ist eine positive Tendenz. Es bestehen trotz allem für einige Hersteller, vor allem Start-ups, Schwierigkeiten im Zulassungsprozess. Die derzeit noch geringe Einbettung in den Behandlungspfad verdeutlicht das Potenzial bzw. die Notwendigkeit für die Gesetzlichen Krankenkassen, die Rolle als „Versorgungsgestalter“ zusätzlich zu den DIGA zu übernehmen. Ansonsten läuft die GKV Gefahr, durch die Mengenausweitung reiner „Bezahler“ zu werden. Während knapp 50 % der Ärztinnen und Ärzte unter 44 Jahren den DIGA gegenüber offen sind, sind es nur knapp zehn Prozent der über 44-Jährigen. Darüber hinaus gibt es generelle Unterschiede unter den Behandler:innen im Verordnungsverhalten.
Große Einigkeit in der Ärzteschaft besteht bezüglich des Potenzials, bestimmte Patientengruppen mit digitalen Anwendungen zu versorgen und auf diese Weise unnötige Arztbesuche zu reduzieren.
Es gibt jedoch zahlreiche Kritikpunkte, die sich insbesondere auf den derzeitigen Entwicklungsprozess beziehen. Hier werden sowohl die mangelnde Einbindung von medizinischen Ansprechpartnern in den Entwicklungsprozess durch die Hersteller kritisiert als auch die aus Ärztesicht geringen Evidenzanforderungen im „Fast- Track“-Verfahren. Das sorgt für ein gewisses Misstrauen in die Sicherheit und Zuverlässigkeit der DIGA.
Fazit: Hinsichtlich digitalen Gesundheits- Apps herrscht unter Mediziner:innern also momentan eine gewisse Unsicherheit und teilweise auch eine Ablehnungshaltung. Für eine steigende Nutzung von DIGA über den gesamten Patientenpfad hinweg stellt die derzeitige überwiegend ablehnenden Haltung durch die Mehrheit der Ärzteschaft eine Herausforderung dar. Darüber hinaus ist für ein wirkliches „Heben“ der Versorgungspotenziale eine gesamtheitliche Einbindung von DIGA in das Therapiekonzept der Patient:innen nötig.
Auch die Kritik von Seiten der Gesetzlichen Krankenkassen ist nachvollziehbar. Aus ihrer Sicht kann die Regelversicherung „nicht als Finanzierungsphase für Startups genutzt werden!“ BP
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