Belastungsinkontinenz

Praxis-Depesche 1/2004

Doppeltes Tabu trifft Patientinnen und Ärzte

Obwohl weit verbreitet, wird die Belastungsinkontinenz meist tabuisiert. Betroffene Frauen verschweigen ihr Problem aus Scham und Unwissen über effektive Therapieoptionen; Ärzte halten die derzeitigen Möglichkeiten oft für unzureichend. Dies könnte sich durch einen neuen medikamentösen Ansatz ändern.

Frauen mit Belastungsinkontinenz fühlen sich in ihrem Selbstverständnis beschädigt und in ihrem Lebensstil in funktioneller und psychologischer Hinsicht stark eingeschränkt. Trotzdem scheuen sie die Aussprache mit dem Arzt, da die derzeitigen Therapieoptionen als nur sehr begrenzt wirksam und Operationen als nicht optimal und lediglich als letzter Ausweg betrachtet werden. Dieses Ergebnis einer in Deutschland, Frankreich und Großbritannien erstellten Umfrage bei 72 Patientinnen und 54 Fachärzten kommt nicht unerwartet. Überraschend ist dagegen, dass auch Ärzte das Thema Inkontinenz mit einem Tabu belegen. Die emotionale Bedeutung dieser Erkrankung für Betroffene und die Auswirkungen auf die Lebensqualität nehmen Ärzte danach nur ansatzweise wahr. Die Verdrängung resultiert auch aus der Einschätzung, dass die derzeit verfügbaren Therapieoptionen als unzureichend gewertet werden und der Arzt daher seine Rolle als Heiler bei Behandlungsversuchen als frustrierend betrachtet. Dr. R. Lange, Alzey, forderte daher eine bessere Fortbildung von Ärzten, bei der ihnen die enorme Häufigkeit der Erkrankung vor Augen geführt, eine einfühlsame Gesprächsführung vermittelt und die einfache Diagnosestellung sowie die Effektivität und Praktikabilität moderner Therapieverfahren erläutert werden. Das derzeit in klinischen Studien evaluierte Duloxetin, ein Noradrenalin/Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, der die Kontraktilität des Blasenschließmuskels verstärkt, wurde von Patientinnen und Ärzten als neue medikamentöse Option begrüßt. Wie Lange erläuterte, soll das Medikament die bekannten konservativen Verfahren, z. B. Beckenbodentraining, ergänzen. (KA)

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