Kongress der Hochdruckliga, Bonn, November 2003

Praxis-Depesche 1/2004

Drei Wege zur Blutdruck-Einstellung

Auf dem 27. Wissenschaftlichen Kongress der Deutschen Liga zur Bekämpfung des hohen Blutdruckes waren die neuen Leitlinien der Hochdruckliga das heimliche Hauptthema. Um sie rankte sich auch ein Symposium der Sektion Arzneimittel der Hochdruckliga.

Die Klassifikation des Blutdrucks nach seiner Höhe ist vielschichtig geworden. Es gibt jetzt einen optimalen (< 120/80 mmHg), einen normalen (< 130/85), einen noch-normalen (130/85 - 139/89) Blutdruck, eine leichte Hypertonie (140/90 - 159/99), eine mittelschwere (160/100 -179/109) und eine schwere (> 180/110), außerdem die Sonderform der isolierten systolischen Hypertonie (> 140, < 90). Im niedrigen Bereich einschließlich noch-normaler Blutdruck gibt es aber keine Belege für die Effektivität einer Intervention. "Interessant" wird es also für den Arzt ab 140/90. Hier hängt die Dringlichkeit des Einschreitens vom Risikoprofil des Patienten insgesamt ab. Die Leitlinien lassen dem Arzt die Freiheit, bei der Behandlung seines Hypertonikers eine von drei Vorgehensweisen zu wählen (siehe Abb. links). Die erste (A), Stufentherapie oder "stepped care" genannt, entspricht dem früher allgemein üblichen Procedere: Man wählt ein geeignet erscheinendes Antihypertensivum und steigert zunächst ggf. dessen Dosis, bevor man auf eine Zweierkombi übergeht. Die zweite Möglichkeit (B) ist die primäre Kombinationationstherapie in (zunächst) niedriger Dosierung beider Komponenten. Dafür kommen in erster Linie die Paarungen Diuretikum + ACE-Hemmer oder Diuretikum + Betablocker in Betracht, und dies in freier oder fester Zusammenstellung. Die Hochdruckliga argumentiert zu beiden Varianten: "Eine Fixkombination hat den Vorteil einer höheren Patienten-Compliance und häufig auch geringerer Kosten, die freie Kombination erlaubt naturgemäß eine individuelle Dosisanpassung beider Komponenten." Für eine primäre Kombinationstherapie sprechen ein weit über den Zielwerten liegender Blutdruck sowie Begleiterkrankungen, die ohnehin eine Kombination wünschenswert erscheinen lassen, z. B. KHK, Herzinsuffizienz, Niereninsuffizienz. Die dritte Option (C) ist die sequenzielle Monotherapie: Das Antihypertensivum wird so lange gegen eine andere Substanz in Monotherapie augetauscht, bis man (hoffentlich) eine effektive Blutdrucksenkung erreicht. Was die Auswahl der Pharmaka betrifft, so legt die Hochdruckliga als strategisches Ziel eine "optimale Differenzialtherapie" nahe, die die unterschiedlichen Begleiterkrankungen, Endorganschäden und Nebenwirkungsprofile berücksichtigt. Die Forderung unterscheidet sich von allzu vordergründigen Interpretationen der ALLHAT-Studie, die die (Thiazid-) Diuretika favorisierten. Letztere sind zweifellos von großem Nutzen, v. a. weil sie sich mit allen übrigen Antihypertensiva vorteilhaft kombinieren lassen (siehe Abb. rechts). Das Arsenal der Medikamente der ersten Wahl enthält fünf Substanzklassen, darunter inzwischen auch die Angiotensin-Rezeptorblocker (AT1-Blocker), die lange auf diesen Status "gewartet" hatten. Für alle fünf Klassen wurde in kontrollierten Studien eine Senkung der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität nachgewiesen. Die postsynaptischen Alpha-1-Blocker werden nicht mehr zu den Mitteln der ersten Wahl gerechnet (Probleme mit Doxazosin in der ALLHAT-Studie). In der Differenzialtherapie können sie dennoch ihre Berechtigung haben, wie z. B. bei COPD oder BPH. Für Schwangere kommt auch Alpha-Methyldopa in Betracht. - Am häufigsten werden bei den verschiedenen Indikationen der Liga-Empfehlungen die ACE-Hemmer genannt. Bei allen Zusatzeffekten der Antihypertensiva bleibt die ausreichende Blutdrucksenkung das wichtigste Ziel. Im Einzelfall lässt sich nicht vorhersagen, auf welches Mittel der Patient anspricht. Mit der vollen Wirkung ist nach zwei bis vier Wochen zu rechnen - und dann weiß man, ob man richtig getippt hat. Erforderlichenfalls darf man vor einer kompletten Umstellung nicht zurückschrecken. Natürlich ist auch die Zuverlässigkeit der Arznei-Einnahme eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg. Unter diesem Aspekt sind Medikationen zu bevorzugen, bei denen nur eine Dosierung täglich nötig ist.

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