Topische Kortikosteroid-Sucht

Praxis-Depesche 9/2016

Entzugserscheinungen erkennen

Topische Kortikosteroide können die Haut mancher Patienten regelrecht abhängig machen – vor allem bei dauerhafter Anwendung höherer Dosierungen im Gesicht oder Genitalbereich. Hier lesen Sie, was Sie in der Praxis beachten sollten.

Patienten mit topischer Steroidsucht reagieren auf das Absetzen topischer Kortikosteroide (TCS) mit Rötungen, brennenden Schmerzen, Abschälen und Nässen der Haut (meist ausgehend vom initialen Ekzem). Die Symptome können in ihrer Schwere zeitlich stark variieren. Oft sind sie stärker als die initialen Symptome, gegen welche das TCS verschrieben wurde. Unter fortgesetzter Kortikosteroid- Applikation erscheint die Haut mancher Patienten normal bzw. gut kontrolliert, anderen zeigen Atrophie oder Teleangiektasien.
Allgemein unterscheidet man bei der topischen Steroidsucht zwischen der erythem-ödematösen Form (meist bei Ekzempatienten) und der papulopustulären Form (meist bei Patienten mit Akne oder Pigmentstörungen). Oft treten die entzugsbedingten Erytheme mit perioraler Blässe auf und enden abrupt in der Wangenmitte. Die Röte breitet sich häufig auch ärmelartig auf die Extremitäten aus und stoppt an der Grenze der Hand- und Fußsohlen. Typisch ist auch die Faltenbildung an Knien, Ellenbogen oder am Nacken („Elefantenhaut“). Zu den wichtigsten Differenzialdiagnosen zählen die allergische Kontaktdermatitis, Infektionen und ekzematöse Schübe. Ob eine Allergie gegen TCS oder andere verschriebene oder kosmetische Topika vorliegt, kann per Patch-Test ermittelt werden. Für das Vorliegen einer TCS-Abhängigkeit spricht, wenn das Brennen der Haut das Hauptsymptom ist, die Rötung innerhalb von Tagen oder Wochen nach dem TCS-Absetzen auftritt und das topische Kortikosteroid über lange Zeit im Gesicht oder Genitalbereich angewendet wurde.
Juckreiz kann man mit oralen Antihistaminika bändigen, kalte Kompressen und ggf. Gabapentin helfen gegen den brennenden Schmerz. Bei manchen Patienten kann die Gabe schlaffördernder oder anxiolytischer Mittel sinnvoll sein. Auch orale Immunsuppressiva und Lichttherapie können helfen. Calcineurin-Inhibitoren und orale Antibiotika werden meist bei Patienten mit papulopustulärer Form der TCS-Abhängigkeit eingesetzt.
Vom adäquaten Einsatz topischer Kortikosteroide gemäß Indikation sollte das Risiko einer Steroidabhängigkeit aber nicht abhalten. Von einem häufigen oder langfristigen Gebrauch im Gesicht sollte man jedoch absehen und die Therapiedauer allgemein auf maximal zwei bis vier Wochen begrenzen. OH
Quelle:

Sheary B: Topical corticosteroid addiction and withdrawal – an overview for GPs. Aust Fam Physician 2016; 45(6): 386-8

ICD-Codes: F19.3

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