Anticholinergika für Senioren

Praxis-Depesche 9-10/2021

Erhöhtes Risiko durch vaskuläre Effekte

Anticholinergika erhöhen bei gesunden Senioren das Risiko an einer Demenz zu erkranken oder einen Schlaganfall zu erleiden. Als wahrscheinliche Ursache gelten vaskuläre Effekte. Dafür sprechen zumindest die Ergebnisse einer aktuellen Auswertung der ASPREE-Studie.
Anticholinergika wird nachgesagt, dass sie den kognitiven Abbau älterer Menschen fördern. Ob dieses Risiko auch für Senioren ohne größere kardiovaskuläre Erkrankungen erhöht ist, sollte nun geklärt werden. In die Beobachtungsstudie wurden 19.114 Teilnehmer der ASPREE(ASPirin in Reducing Events in the Elderly)-Studie eingeschlossen. Sie waren mindestens 70 Jahre alt und wiesen keine größeren kardiovaskulären Erkrankungen auf. Eine Demenz lag nicht vor bzw. der modifizierte Mini-Mental- Status-Test ergab einen Wert über 78/100. Die Nachbeobachtung dauerte im Mittel 4,7 Jahre.
Die anticholinerge Last der Medikation der Studienteilnehmer wurde mithilfe des ACB-Scores bestimmt. Eine mögliche Demenz wurde nach den Kriterien von DSM IV beurteilt, ein Schlaganfall gemäß WHO-Definition. Zu Studienbeginn wurde bei 15.000 Senioren (79 %) ein ACB-Score von 0 festgestellt. Bei 2.930 Teilnehmern (15 %) lag der ACB-Score zu Studienbeginn bei 1 oder 2, und 1.184 (6 %) hatten einen Score von ≥ 3.
2,1% der Teilnehmer erlitten während der Nachbeobachtung einen Schlaganfall. Nach Adjustierung auf verschiedene Kovariate (Alter, Geschlecht, Bildungsstand, Begleiterkrankungen wie Hypertonie, Diabetes, Depression, Tabakkonsum und sonstige Medikation) war das Risiko für ischämische Insulte bei Patienten mit einem ACB-Score ≥ 3 am Ende der Beobachtungszeit um 58 % erhöht (3,4 vs. 5,3 Ereignisse pro 1.000 Patientenjahre; adjustierte Hazard Ratio [HR] 1,58, 95 %-KI 1,06 - 2,35). Dieses Ergebnis war statistisch signifikant.
Insgesamt 3 % der Studienteilnehmer erkrankten im Nachbeobachtungszeitraum an einer Demenz. Bei einem ACB-Score ≥ 3 stieg das Risiko um 36 % (adjustierte HR 1,36, 95 %-KI 1,01 - 1,82). Für gemischte Demenzen lag der Wert sogar bei 53 % (adjustierte HR 1,53, 95 %-KI 1,06 - 2,21). Ein Unterschied zwischen Medikamenten mit moderater oder starker anticholinerger Last wurde nicht festgestellt.Die Studienergebnisse zeigen, dass eine hohe anticholinerge Last bei älteren Menschen ohne größere kardiovaskuläre Erkrankungen mit einem erhöhten Demenz- und Schlaganfallrisiko assoziiert ist. Dies kann auf einen vaskulären Effekt hinweisen.
Da es sich um eine Beobachtungsstudie handelt sind keine kausalen Schlüsse möglich. Dennoch demonstrieren diese Ergebnisse, dass die Gabe von Anticholinergika bei Senioren minimiert werden sollte. GS
Quelle: Lockery JE et al.: A cohort study of anticholinergic medication burden and incident dementia and stroke in older adults. J Gen Intern Med 2021; 36: 1629-37

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