Lungenarterienembolie

Praxis-Depesche 6/2018

Erkrankung mit vielen Gesichtern

Nach Myokardinfarkt und Schlaganfall ist die akute Lungenarterienembolie die dritthäufigste kardiovaskuläre Erkrankung. Aufgrund des variablen klinischen Erscheinungsbildes und der oft unspezifischen Manifestationen stellt die Diagnose oft eine Herausforderung dar.

Die klinischen Manifestationen der akuten Lungenembolie (LE) reichen von asymptomatischer Embolie bis hin zu massiven Verlegungen der Lungenstrombahn und Rechtsherzversagen mit Todesfolge. Die Leitsymptome sind Schmerz, Luftnot und Husten. Eine Reihe typischer Symptomkomplexe sind beschrieben.
 
Herzstillstand, Lungenödem & Co.
 
Bei bis zu 30% der Patienten stellt ein plötzlicher Herzstillstand die Erstmanifestation der LE dar. Auch ein dem ARDS (acute respiratory distress syndrome) ähnliches Lungenödem ist möglich. Wahrscheinliche Ursache hierfür ist die Zunahme der Kapillarpermeabilität durch die Freisetzung vasoaktiver Substanzen aus den Blutgerinnseln, eine Zunahme des hydrostatischen Kapillardrucks, eine Schädigung der Lungenkapillaren durch Fibrin-Mikroemboli oder eine Umverteilung des Blutflusses mit Überperfusion bestimmter Lungenabschnitte. Andere Patienten entwickeln infolge der Freisetzung bronchokonstriktorischer Substanzen Asthma-ähnliche Beschwerden.
Typisches respiratorisches Versagen mit Hypoxie und Hypokapnie kann ebenso auftreten. Einige LE manifestieren sich als fieberhafte Erkrankung mit oder ohne pseudopneumonische Infiltrate im Röntgenbild. Die LE kann mit Rechtsherzversagen einhergehen. Sind mehr als 30% der Gefäße verschlossen, kommt es zu einer rechtsventrikulären Dysfunktion. In schweren Fällen droht ein Blutdruckabfall bis hin zum Schock. Ist der rechte Ventrikel so stark dilatiert, dass er den linken komprimiert, kann es zu Linksherzversagen kommen.
 
Manchmal irreführende Symptome
 
Atem- und lageabhängige pleuritische Schmerzen deuten auf Lungeninfarkte hin. Hämodynamisch irrelevante alveoläre Hämor- rhagien können Hämoptysen und leichte Pleuraergüsse hervorrufen. In einigen Fällen imitiert eine massive LE die Symptome des akuten Koronarsyndroms (Thoraxschmerz, Hypotonie, Tachykardie, Hypoxie).
Bei Patienten mit einem Rechts-links-Shunt, beispielsweise einem persistierenden Foramen ovale, besteht zudem die Möglichkeit paradoxer Embolien: Je nach Einschwemmgebiet können ein akuter Myokardinfarkt, ein zerebraler Insult, Niereninfarkte, eine akute mesenteriale Ischämie oder peripherarterielle Extremitätenembolien resultieren.
Manche Patienten fallen mit einer Synkope mit oder ohne komplettem AV-Block und idioventrikulärem Rhythmus auf. Auch paroxysmales oder persistierendes Vorhofflimmern bzw. -flattern, Vorhoftachykardie oder paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie können auf eine LE hindeuten.
Rund 80% der LE-Patienten zeigen begleitend Symptome der tiefen Venenthrombose. Die Lungenembolie tritt in der Regel etwa drei bis sieben Tage nach der Thrombose auf und verläuft in 10% der Fälle innerhalb einer Stunde tödlich. Insbesondere postoperativ kommen häufig stille LE vor. Seltener deuten Oberbauchschmerzen oder ein Delirium auf eine Lungenembolie hin.
Um die potenziell tödlich verlaufende Erkrankung frühzeitig diagnostizieren zu können, ist es also wichtig, die möglichen Symptome und Symptomkonstellationen zu kennen. Häufig ist hierzu interdisziplinäre Zusammenarbeit gefragt. LO
Quelle:

Morrone D et al.: Acute pulmonary embolism: focus on the clinical picture. Korean Circ J 2018; 48: 365-81

ICD-Codes: I26.9

Alle im Rahmen dieses Internet-Angebots veröffentlichten Artikel sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch Übersetzungen und Zweitveröffentlichungen, vorbehalten. Jegliche Vervielfältigung, Verlinkung oder Weiterverbreitung in jedem Medium als Ganzes oder in Teilen bedarf der schriftlichen Zustimmung des Verlags.

x