Chronische Extremitätenischämie

Praxis-Depesche 6/2022

Frauen werden weniger behandelt

Wie viele andere kardiovaskuläre Probleme nimmt die Prävalenz der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) immer weiter zu. Im Ernstfall droht eine chronische Gliedmaßen bedrohende Ischämie (chronic limb-threatening ischaemia, CLTI). Dabei werden Frauen seltener leitliniengetreu therapiert als Männer – und trotzdem ist ihr Outcome meist besser.
Wie es um die Versorgung von Patient:innen mit CLTI in Deutschland bestellt ist, zeigt eine Datenanalyse der AOK-Gesundheitsversicherung. Untersucht wurden Datensätze von rund 200.000 Patient: innen, die 2010 bis 2017 wegen CLTI hospitalisiert worden waren. Bei allen Teilnehmer:innen erfasste man bis zu zwei Jahre zuvor aufgetretene Komorbiditäten und zurückliegende medizinische Eingriffe (mittlere Follow-up-Dauer 5,3 Jahre).
Frauen mit CLTI waren im Vergleich zu den Männern signifikant älter (medianes Alter 81,4 vs. 73,8 Jahre) und hatten ein anderes Komorbiditätsprofil: Sie wiesen häufiger Hypertonie, Vorhofflimmern, chronische Herz- oder Niereninsuffizienz auf; Männer dagegen häufiger Diabetes, Dyslipidämie, Rauchen, zerebrovaskuläre Erkrankungen und chronisches Koronarsyndrom (p < 0,001 für alle Vergleiche).
 
Weniger Therapie, aber höhere Überlebenschance
Unter den hospitalisierten Patient:innen bildeten Frauen die Minderheit (43 %). Im Rahmen ihres Krankenhausaufenthalts erhielten sie seltener eine diagnostische Angiographie (67 vs. 70 %, p < 0,001) und seltener eine Revaskularisationstherapie als Männer (61 vs. 65 %, p < 0,001). Auch die in Leitlinien empfohlenen Medikamente wie Statine (35 vs. 43 %) und Antithrombotika (48 vs. 53 %) wurden Frauen signifikant seltener verschrieben. Trotzdem hatten Frauen nach statistischer Berücksichtigung von Alter und Komorbidität eine insgesamt höhere Überlebenswahrscheinlichkeit (Hazard Ratio, HR 0,95) und eine höhere Wahrscheinlichkeit für ein amputationsfreies Überleben als Männer (HR 0,84).
Dass Frauen mit CLTI im Vergleich zu Männern länger symptomfrei bleiben und häufiger einen grenzwertigen Knöchel- Arm-Index (ABI) aufweisen, könnte zu einer verzögerten Diagnose der CLTI bei Frauen führen. Dass sie seltener leitliniengetreu therapiert werden, mag daran liegen, dass Frauen aufgrund ihres höheren Diagnosealters für komplexe Eingriffe öfter nicht mehr in Frage kommen oder Kontraindikationen gegen Medikamente aufweisen. Bei Männern wurde öfter eine polyvaskuläre Erkrankung festgestellt, was zu einer früheren Diagnose und intensiveren Behandlung beigetragen haben und das höhere Sterblichkeitsrisiko bedingen könnte. Möglich ist aber auch, dass Gefäßerkrankungen immer noch eher als „Männerthema“ angesehen und sie daher bei Frauen häufiger übersehen werden. OB
Quelle: Makowski L et al.: Sex-related differences in treatment and outcome of chronic limb-threatening ischaemia ... Eur Heart J 2022; Epub Feb 3; doi: 10.1093/eurheartj/ehac016
ICD-Codes: I73.9

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