Patient mit chronischer Nierenerkrankung und Arzt

Modell für künftige Therapiestrategien

Praxis-Depesche 4/2022

Fünf Typen von chronischer Nierenerkrankung

Weltweit sind über 750 Millionen Menschen von einer chronischen Nierenerkrankung (CKD) betroffen. In aller Regel ist die progredient fortschreitende Erkrankung mit den typischen kardiovaskulären und metabolischen Komorbiditäten wie Hypertonie, Hyperlipidämie und Hyperglykämie assoziiert. Da die renale Erkrankung häufig erst spät entdeckt wird, wenn zum Teil die Niere schon irreversible Schäden davongetragen hat, ist eine frühe Diagnose und gezielte Therapie sehr wichtig. Doch nicht jede CKD ist gleich.
Im Detail
Typische Komorbiditäten bei chronischer Nieren- erkrankung sind Hypertonie, Hyperglykämie, Hyperlipidämie und/oder chronische Niereninsuffizienz. Oft gibt es aber einen einzigen Faktor, der von allen am meisten verlaufsbestimmend für die Nierenerkrankung ist.
Zu diesem Ergebnis kam eine Arbeitsgruppe, die anhand der sogenannten „Deep-Learning“-Methode Modellberechnungen für eine möglichst exakte Verlaufsprädiktion von CKD austüftelte. Bei Deep-Learning-Modellen handelt es sich um einen Teilbereich des Machine Learnings, bei der KI-gestützt große Datenmengen analysiert werden. Das Modell funktioniert dabei wie ein Netzwerk und kann alles Erlernte immer wieder mit neuen Informationen verknüpfen und daraus sozusagen neue Schlüsse ziehen.
In diesem Fall fütterten die Forschenden ihr System mit longitudinalen US-Gesundheitsdaten von 1,6 Millionen Patient:innen mit CKD. Die Daten umfassten einen Zeitraum von insgesamt vier Jahren. Neben zeitlich unveränderlichen Patientencharakteristika flossen in das Modell u. a. komplexe Daten zu den Krankheitsverläufen, Rückkopplungsschleifen (im Zusammenspiel mit Komorbiditäten) und die Auswirkung von 53 Medikamenten ein. Aus den inkludierten Faktoren wurden acht klinische Biomarker generiert, die anhand diverser Risikofaktoren die Progression der CKD vorhersagten.
 
Welche Komorbidität ist die wichtigste?
Der Knackpunkt, in dem sich die chronischen Nierenerkrankungen untereinander unterschieden, waren dabei die Komorbiditäten, mit welchen sie verwoben waren. Die Behandlung der Komorbiditäten spielt beim Management chronischer Nierenerkrankungen eine zentrale Rolle, da sie das Fortschreiten der CKD beschleunigen und umgekehrt. Die in die Analyse inkludierten CKD-Patient:innen ließen sich in fünf Subpopulationen einteilen, die sich in ihrem Risikoprofil unterschieden: Vier Subgruppen reagierten besonders sensibel vor allem auf einen Risikofaktor. Bei einer Gruppe reagierte der CKD-Verlauf besonders sensibel auf Hypertonie, bei der zweiten Gruppe war die Hyperglykämie verlaufsbestimmend, bei den anderen beiden waren es die Hyperlipidämie bzw. Niereninsuffizienz. Bei der fünften Gruppe schien die CKD auf keinen der untersuchten Risikofaktoren besonders stark zu reagieren.
Die Einteilung in die fünf Phänotypen der CKD liefert eine gute Grundlage, auf der sich künftig individualisierte Behandlungsstrategien gestalten lassen. Fazit: Durch die gezielte Therapie der jeweils ausschlaggebenden Komorbidität lässt sich der Verlauf der CKD effektiv bremsen. Bis es aber praktische Anhaltspunkte dafür gibt, mit welcher Komorbidität man es im Einzelfall zu tun hat, muss man aber weiterhin alle Risikofaktoren in den Blick nehmen. TP
Quelle: Ramaswamy R et al.: CKD subpopulations defined by risk-factors: A longitudinal analysis of electronic health records. CPT Pharmacometrics Syst Pharmacol 2021; 10(11): 1343-56
Urheberrecht: Adobe Stock - Pixel-Shot

Alle im Rahmen dieses Internet-Angebots veröffentlichten Artikel sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch Übersetzungen und Zweitveröffentlichungen, vorbehalten. Jegliche Vervielfältigung, Verlinkung oder Weiterverbreitung in jedem Medium als Ganzes oder in Teilen bedarf der schriftlichen Zustimmung des Verlags.

x