Hämoglobinopathien bald heilbar?

Praxis-Depesche 6/2018

Gentherapie bei ß-Thalassämie erfolgreich

Bislang stellt die allogene Stammzelltransplantation die einzige kurative Therapieoption für Patienten mit einer ß-Thalassämie dar. Findet sich jedoch kein passender Knochenmarkspender, sind lebenslang Erythrozytentransfusionen sowie die Gabe von Eisenchelatoren erforderlich. Hoffnung verspricht die Gentherapie.

Die b-Thalassämie zählt zu den häufigsten monogenen Erbkrankheiten. Ihr liegt eine homozygote Mutation der ß-Globinkette des Hämoglobinmoleküls zugrunde. In Folge der gestörten ß-Globinsynthese bilden sich unlösliche Präzipitate, die zu einer ineffektiven Erythropoese, chronischen Hämolyse und Anämie führen. Französischen Forschern ist es gelungen, eine Sequenz des gesunden ß-Globingens mit Hilfe eines speziellen lentiviralen Vektors in autologe hämatopoetische Stammzellen eines Patienten einzuschleusen. Mehr als 6 Jahre nach myeloablativer Chemotherapie und Transplantation der modifizierten autologen Stammzellen benötigte der Patient keine Transfusionen mehr. Nun berichten die Wissenschaftler Interimsergebnisse einer US-amerikanischen und einer französischen Phase-1/2-Studie zur Sicherheit und Effektivität des beschriebenen Verfahrens. Teilnehmer waren 22 Patienten mit einer transfusionspflichtigen ß-Thalassämie im Alter zwischen 12 und 35 Jahren.
Das Ergebnis: Nach der Infusion der genmodifizierten autologen CD34+ Stammzellen beobachteten die Forscher eine Zunahme der transgenen Hämoglobinsynthese sowie eine Stabilisierung des Gesamt-Hämoglobinwerts. 15 bis 42 Monate nach der Behandlung benötigten die Patienten keine Erythrozytentransfusionen mehr oder der Transfusionsbedarf hatte sich zumindest deutlich reduziert. Außer den erwarteten Chemotherapie-assoziierten Nebenwirkungen verlief die Behandlung ohne Komplikationen. Eine klonale Expansion in Folge einer Vektorintegration beobachteten die Wissenschaftler nicht.
Die Gentherapie, so ihr Fazit, stellt für Patienten mit einer transfusionspflichtigen ß-Thalassämie, für die kein Knochenmarkspender zur Verfügung steht, eine vielversprechende Therapieoption dar. Selbst wenn der Transfusionsbedarf durch die Behandlung lediglich gesenkt werden kann, steigt die Lebenserwartung der Betroffenen, da die Organsysteme langfristig einer geringeren Eisenbelastung ausgesetzt sind. LO
Quelle:

Thompson AA et al.: Gene ... N Engl J Med 2018; 378(16): 1479-93. doi: 10.1056/NEJMoa1705342

ICD-Codes: D56.1

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