Kongress der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung

Praxis-Depesche 3/2016

Gratwanderung zwischen Thrombenbildung und Blutung

Die Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH) beschäftigt sich mit Störungen der Blutgerinnung sowie thrombotischen Krankheitsbildern. Bei welcher Indikation auch immer der Arzt interveniert, stets muss er individuell den Patienten auf das richtige Maß an Hämostase einstellen, weil Abweichungen in beide Richtungen fatale Folgen haben. Unterstützung dabei erhält er durch neue Daten, die auf dem GTH präsentiert wurden.

Unsicherheiten, die auch nach Einführung der DOAK diesbezüglich noch vorhanden sind, wurden ebenso thematisiert wie die richtige Antikoagulation während der Schwangerschaft. Neuere Forschungen untersuchen den Zusammenhang von Thrombenbildung und Metastasierung.
„Was haben wir gelernt aus den Studien zum Einsatz von DOAK bei Patienten mit Vorhofflimmern (VHF)“, fragte Prof. John Eikelboom, Hamilton, Ontario, Kanada. „Dass Patienten mit VHF, die älter als 65 Jahre sind, unbedingt von einer Antikoagulation in Hinsicht auf das Schlaganfallrisiko profitieren.“ Dies ist ebenso der Fall bei den unter 65-Jährigen, sofern sie weitere Risikofaktoren aufweisen. Und: Bei der Mehrheit der Patienten ist der Einsatz von DOAK dem von VKA vorzuziehen (Ruff CT et al., Lancet 2014). Aspirin hingegen sollte bei dieser Klientel prinzipiell nicht gegeben werden, ausgenommen sie haben nur ein sehr geringes Insultrisiko und leiden an einer Gefäßerkrankung.
Dennoch sind rund ein Drittel der VHF-Patienten, bei denen eine Medikamentengabe indiziert wäre, unbehandelt oder unterbehandelt. Grund dafür ist, auch bezüglich der DOAK, eine Unsicherheit, ab welcher Dosierung die Nebenwirkungen (sprich: Blutungen) überwiegen. „In der Tat“, so Eikelboom weiter, „ist die Wirkung wie auch Nebenwirkung ebenfalls bei den DOAK abhängig von der Plasmakonzentration des Wirkstoffs. Je höher der Spiegel, desto weniger Insulte sind zu erwarten, aber auch mehr Blutungsereignisse.“
Komplizierter wird dies zusätzlich durch eine hohe interindividuelle, und selbst intraindividuelle Varianz bei gleicher Dosierung. Weiterhin wird die Wahrscheinlichkeit von Schlaganfall oder Blutung von Parametern wie dem Alter sowie der Nierenfunktion beeinflusst, was allerdings durch die Auswahl spezieller hierfür getes teter DOAK aufzufangen wäre.

„Dennoch“, betonte der Hämatologe, „ist ein klarer Netto-Benefit für die Patienten zu konstatieren, selbst wenn sie mit der höheren Fixdosis behandelt werden, im Vergleich zu gut eingestellten Warfarin-Patienten.“

Thrombosen assoziiert mit Metastasierung?

Über neue Forschungsergebnisse über den Zusammenhang von Blutgerinnung und Thrombenbildung sowie Metastasierung von Tumoren berichtete die Arbeitsgruppe um Prof. Stefan W. Schneider, Mannheim. Mittels Immunfluoreszierung und hochauflösender Mikroskopie wurde die Verteilung von VWF-Fasern (VWF = von Willebrand Faktor) etwa in Lungenmetastasen detektiert. Dies geschah im Rahmen von Mausmodellen, bei denen Melanome induziert wurden.

Bekannt ist die hohe Rate an Thromboembolien bei Patienten mit Melanomen, deren gehäuftes Auftreten wiederum ein Indikator für eine hohe Metastasierungsrate ist. Offenbar laufen beide Prozesse streckenweise parallel zueinander ab. So ist auch die Tumorzelle auf eine Wechselwirkung mit dem Endothel angewiesen, um Metastasen ausformen zu können. In-vitro- Versuche konnten verschiedene Mechanismen identifizieren, wie die Tumorzelle mit dem Endothel interagiert. Tumorzellen induzieren zum einen ein Thrombin-Überschuss, und es wird vermehrt VEGF-A (Vascular Endothelial Growth Factor) sezerniert. Beides mündet in eine Freisetzung von VWF-Fasern, die sich auf der Gefäßwand ausbreiten. Gleichzeitig wird die Produktion einer Protease, namentlich ADAMTS13, inhibiert, welche für den physiologischen Abbau der VWF-Fasern zuständig ist. Die Detektion dieser VWF-Fasern in den Metastasen legt zum einen den Schluss nahe, dass sie für die Metastasierung eine relevante Rolle spielen, und zum anderen, dass es sich um einen Prozess handelt, der sehr ähnlich der Thrombenbildung verläuft. Schneider vermerkte jedoch ausdrücklich: „Unsere Untersuchungen bezogen sich auf das Melanom.“ Weitere Forschungen weisen darauf hin, dass die beschriebenen Prozesse bei anderen Krebsentitäten zumindest nicht in dem gleichen Ausmaße ablaufen.

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