Auch Trägerinnen können krank sein

Praxis-Depesche 9/2012

Hämophilie: bei größerem Trauma oder Kopfverletzung „factors first“

Aus dem Amsterdamer Behandlungszentrum für Hämophilie, aus pädiatrischen Abteilungen großer Kliniken in Amsterdam und Rotterdam und aus der hämatologischen Abteilung des Erasmus Medical Center in Rotterdam stammt eine Übersichtsarbeit zu Diagnostik und Therapie der Hämophilie. Behandlungsbedarf kann auch bei Frauen bestehen; Trägerinnen des defekten Gens brauchen Spezialbetreuung besonders in der ­Gravidität.

Die Hämophilie, assoziiert mit verlängertem und übermäßigem Bluten, betrifft einen von 500o Männern. Als Folge von Defekten der Gene F8 und F9 auf dem langen Arm des X-Chromosoms besteht ein Mangel an Gerinnungsfaktor VIII bzw. IX. Bei der Hämophilie A bzw. B liegt fehlende oder verminderte Faktorsynthese oder solche mit reduzierter Aktivität vor. Die beiden Faktoren sind unentbehrlich für die Verstärkung der Thrombin-Entstehung und die Ausbreitung der Fibrinbildung. Faktor VIII ist an den von-Willebrand-Faktor (VWF) gebunden, um ihn vor Proteolyse zu schützen.

Die Plasma-Restkonzentration wird in IU/ml oder als Prozentsatz von normalem gepooltem Plasma ausgedrückt (Normalwerte o,5 bis 1,5 IU/ml bzw. 50 bis 150%). Bei schwerer Hämophilie sind die Faktoren nicht messbar (sie liegen unter 1%); spontane Blutungen ohne Trauma sind möglich. Bei mäßig schwerer oder leichter Erkrankung finden sich Werte von 2 bis 5% bzw. 6 bis 40%. Übermäßige Blutungen folgen i. d. R. auf geringe Traumen, Zahnbehandlungen oder OPs. Bei Söhnen von Trägerinnen lässt sich die Diag­nose Hämophilie kurz nach der Geburt stellen, sonst folgt sie auf spontane Blutungssymptome oder solche nach geringem Trauma. Charakteris­tisch sind intrakranielle Blutungen reifer Neugeborener post partum, schmerzhafte Gelenkschwellungen durch Hämarthros, unerklärte blaue Flecken, sobald ein Baby zu krabbeln oder zu laufen anfängt, postoperative sowie ausgedehnte subkutane Blutungen nach Venenpunktion und Muskelblutungen, spontan oder nach i.m.-Impfung.

Nicht durch Trauma erklärte hämorrhagische Manifestationen und verlängerte oder übermäßige Blutungen beim Zahnarzt oder nach OPs müssen mit einer vollständigen Laboruntersuchung der Hämostase abgeklärt werden, inkl. aPTT und Faktor-VII- und IX-Analyse. Die aPTT ist meist verlängert; ein normaler Wert schließt eine leichte Hämophilie aber nicht aus. Ehe leichte Hämophilie A diag­nos­­tiziert wird, muss von-Willebrand-Syndrom Typ 2N ausgeschlossen werden (Defekt der Bindung von Faktor VIII an VWF, autosomal vererbt). Alle Betroffenen brauchen Notfallausweise.

<

Lesen Sie den ganzen Artikel

Fachgruppen-Login


Zugangsdaten vergessen?

Alle im Rahmen dieses Internet-Angebots veröffentlichten Artikel sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch Übersetzungen und Zweitveröffentlichungen, vorbehalten. Jegliche Vervielfältigung, Verlinkung oder Weiterverbreitung in jedem Medium als Ganzes oder in Teilen bedarf der schriftlichen Zustimmung des Verlags.

x