Deutscher Internistenkongress, Wiesbaden, April 2002

Praxis-Depesche 11/2002

Herzinsuffizienz: Diagnose und Therapie mit Augenmaß

Die Herzinsuffizienz ist ein komplexes klinisches Syndrom, das als Folge jeder strukturellen oder funktionellen Erkrankung auftreten kann, die zu einer Abnahme der kardialen Auswurfleistung führt. In zwei Dritteln der Fälle liegt heute der Herzinsuffizienz eine KHK zugrunde. Daran (aber nicht nur) muss man denken.

Als Kardinalsymptome der Herzschwäche fallen Atemnot, Erschöpfung und verminderte Belastbarkeit auf. Bei der klinischen Untersuchung zeigen sich typischerweise pulmonale Stauung und periphere Ödeme. Wie Prof. Liselotte Goedel-Meinen, Deutsches Herzzentrum München, hervorhob, bedeutet ein unauffälliger Auskultationsbefund der Lunge nicht, dass keine Flüssigkeitsretention vorhanden ist. Feuchte Rasselgeräusche treten vor allem bei akuter Volumenbelastung auf. "Die Lunge kann auskultatorisch auch bei massiver Flüssigkeitsretention frei sein." Die Erstdiagnostik eines Patienten mit Herzinsuffizienz sollte neben Anamnese und klinischer Untersuchung umfassen: - Labor: komplettes Blutbild, Urinanalyse, Blutfette, renale und hepatische Funktion, TSH, evtl. Serum-Ferritin und Transferrin - 12-Kanal-EKG - Röntgen des Thorax - Echokardiogramm Zunehmend diskutiert wird in letzter Zeit auch die Messung des Plasma-BNP (brain natriuretic peptide). Es erlaubt, mit ausreichender Sensitivität und Spezifität zwischen einer Dyspnoe kardialer und pulmonaler Genese zu unterscheiden. EKG-Veränderungen finden sich zwar häufig bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz, aber sie sind unspezifisch. Viele Patienten weisen einen normalen EKG-Befund auf. Die Herzvergrößerung im Thoraxröntgen ist bei der Linksherzinsuffizienz oft gar nicht so ausgeprägt. Riesige Herzen sieht man eher bei Rechtsherzbelastung, so Goedel-Meinen. Das Echokardiogramm gibt Aufschluss über Ventrikeldimensionen, Auswurffraktion und Faserverkürzungsgeschwindigkeit. Es erlaubt auch den Ausschluss von Ursachen wie Klappenvitien und hypertropher Kardiomyopathie. Auch lokale Ischämien lassen sich anhand regionaler Wandbewegungsstörungen identifizieren. Goedel-Meinen sprach sich auch dafür aus, bei allen Patienten mit Herzinsuffizienz, bei denen eine KHK nicht sicher ausgeschlossen ist, eine Herzkatheter-Untersuchung durchzuführen. "Viele Patienten sind als dilatative Kardiomyopathie zu uns gekommen und hatten dann doch eine Dreigefäßerkrankung, die wir durch Intervention deutlich bessern konnten." Eckpfeiler der medikamentösen Therapie sind Diuretika. Sie vermindern zwar nicht die Mortalität, wirken aber symptomatisch am schnellsten und regulieren als einzige den Flüssigkeitshaushalt. Schleifendiuretika gelten als erste Wahl, da sie auch bei Niereninsuffizienz einsetzbar sind und nicht an Wirksamkeit verlieren und weniger Elektrolytverluste verursachen. Um die Wirkung zu steigern, können sie ab Stadium III mit Thiaziden kombiniert werden. Die klinische Stabilität ist aber nur in Kombination mit anderen Substanzen, vor allem ACE-Hemmern, zu halten. Für ACE-Hemmer ist in klinischen Studien ein signifikanter Rückgang der Mortalität belegt. Dies gilt auch für Betablocker, wenn sie zusätzlich zur Basistherapie gegeben werden. In den europäischen Richtlinien werden Betablocker ab NYHA II empfohlen, nach einem Herzinfarkt ab NYHA I. Die Datenlage für AT1-Blocker ist noch nicht sehr umfangreich. In der ValHEFT-Studie brachte eine Ergänzung der Basistherapie mit dem AT1-Blocker Valsartan zusätzlichen Nutzen, obwohl die Basistherapie fast immer ACE-Hemmer enthielt: weniger Krankenhauseinweisungen, eine bessere Auswurfleistung und bessere Lebensqualität. Auch Patienten, die Valsartan und Betablocker erhielten, profitierten. "Die Dreierkombination aber scheint zu viel des Guten zu sein", so Goedel-Meinen. Die Mortalität verminderte Valsartan im Gesamtkollektiv nicht signifikant. ACE-Hemmer und Betablocker hatten diese Leistung offenbar schon alleine vollbracht. Aber in dem kleinen Subkollektiv, das keine ACE-Hemmer erhielt, nahm die Mortalität unter Valsartan signifikant ab. In die Leitlinien der amerikanischen und europäischen Gesellschaften haben AT1-Blocker infolge dieser Daten jetzt Eingang gefunden als Alternative zu ACE-Hemmern, aber auch zu Betablockern.

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