83. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), April 2020

Praxis-Depesche 6/2020

Herzpatienten mit Diabetes oft suboptimal versorgt

Beim diesjährigen Kongress der DGK hätte der multimorbide Herzpatient im Fokus stehen sollen. Wegen der Coronavirus-Pandemie musste die Jahrestagung schließlich abgesagt werden. Um den wissenschaftlichen Austausch aber nicht vollends zum Erliegen zu bringen, hat der Vorstand der DGK beschlossen, zumindest die akzeptierten Abstracts zu veröffentlichen. Hier eine Auswahl.
 
Multimorbide Patienten häufig unzureichend behandelt
Nicht zuletzt aufgrund des oft höheren Lebensalters präsentieren sich viele herzkranke Patienten mit Komorbiditäten. Besonders kardiovaskulär erkrankte Patienten mit Typ-2-Diabetes sind aber oft noch unzureichend versorgt. Das zeigte eine Analyse der Krankenkassendaten von über 30.000 Diabetikern, bei denen zwischen 2014 und 2016 ein ischämischer Schlaganfall, ein Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz oder eine koronare Herzkrankheit festgestellt worden war. Im Jahr nach der Diagnose erhielt nur jeder sechste Patient eine Behandlung, die zu mindestens 50 % mit der empfohlenen Standarddosis des entsprechenden Medikaments übereinstimmte. Und das hatte Folgen: Nicht leitlinienkonform behandelte Patienten trugen ein 75 % höheres Risiko für eine schlechte Prognose als adäquat versorgte Patienten. Die Autoren nehmen daher an, dass die oft suboptimale Behandlung wesentlich zur hohen Mortalität von herzkranken Diabetes-Patienten beiträgt (Abstract V1077).
 
Neue Therapieoption bei akutem Myokardinfarkt
Ärzte des Diakonissenkrankenhauses Flensburg testen momentan eine neue Therapieoption bei akutem Myokardinfarkt: die selektive CRP-Apharese. Dieser Methode liegt die Beobachtung zugrunde, dass ein hoher Spiegel von C-reaktivem Protein (CRP) nach der Stent-Implantation mit einer schlechten Prognose assoziiert ist. Mit Hilfe eines neu entwickelten Adsorbers lässt sich die CRP-Konzentration im Blut senken – und dadurch die Größe des Infarktareals verringern. Über diese ersten, vielversprechenden Ergebnisse berichtete die Arbeitsgruppe um Prof. Christoph Garlich. Für ihre Studie rekrutierten die Forscher 66 STEMI-Patienten, von denen alle eine komplette koronare Revaskularisation erhielten. Bei der Hälfte der Patienten wurden zusätzlich CRP-Apheresen vorgenommen, wodurch man den CRP-Wert um bis zu 79 % reduzierte. Die Apharese-Patienten schnitten bei allen Endpunkten signifikant besser ab als die Kontroll-Probanden: Durch die CRP-Apharese wurden sowohl die Infarktgröße als auch Störungen der Wandbewegung verringert. Die neue Therapieoption soll in der Registerstudie CAMI weiter evaluiert werden (Abstract V244).
 
Darmhormon als kardialer Marker
Von dem Peptidhormon GLP-2 ist bislang nur bekannt, dass es die intestinale Nährstoffresorption fördert. Experimente an Nagetieren legten vor kurzem nahe, dass GLP-2 aber noch eine weitere Funktion besitzen könnte: einen kardioprotektiven Effekt nach einem Myokardinfarkt. Dass das nicht nur im Tiermodell, sondern auch beim Menschen der Fall ist, bestätigte jetzt eine unter Leitung von Michael Lehrke, Professor an der Uniklinik RWTH Aachen, durchgeführte Studie. Bei knapp 1.000 Patienten mit akutem Myokardinfarkt wurde zum Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme der GLP-2-Spiegel gemessen. Tatsächlich war das GLP-2-Level signifikant mit der Ereignisrate assoziiert: Im Vergleich zu Patienten, deren GLP- 2-Spiegel zu Studienbeginn über 4,4 pM gelegen hatte, trugen diejenigen mit niedrigerem GLP-2 ein gesteigertes Risiko im Folgejahr zu versterben oder einen nichttödlichen Myokardinfarkt bzw. Schlaganfall zu erleiden (logarithmierte Hazard Ratio 2,87). Laut den Berechnungen ist der GLP- 2-Wert ein geeigneter Indikator für frühe Ereignisse (< sechs Monate) und dabei sogar Troponin T und hochsensitivem CRP überlegen. Den Forschern zufolge könnte GLP-2 als neuer Biomarker zur Risikoabschätzung bei Patienten mit Myokardinfarkt dienen (Abstract V250). RG

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