Ersatz für zerstörte β-Zellen

Praxis-Depesche 1-2/2020

Humane alpha-Zellen produzieren Insulin

Was bislang nur an Mäusen gelang, lässt sich laut einer neuen Studie auch auf humane Zellen übertragen: die Produktion von Insulin durch a-Zellen des Pankreas. Womöglich könnte man dadurch zerstörte β-Zellen bei Diabetikern ersetzen.
2010 hatten Wissenschaftler an diabetischen Mäusen gezeigt, dass ein fast vollständiger Verlust von β-Zellen des Pankreas eine genetische „Reprogrammierung“ zur Folge hat. So begannen a- Zellen, denen bekanntlich die Aufgabe der Glucagon-Produktion obliegt, Insulin zu sekretieren. Diesem Funktionswechsel der a-Zellen ging eine erhöhte Expression von zwei Transkriptionsfaktoren voraus: PDX1 und MAFA, beide schon länger bekannt für ihre Rolle bei der Differenzierung von β-Zellen. Einige Jahre später demonstrierte ein US-amerikanisches Forscherteam im Mausmodell, dass eine Überexpression eben jener Transkriptionsfaktoren zu einer Umwandlung von a-Zellen in Insulin-produzierende Zellen führt.
Dass diese Erkenntnisse auch auf den Menschen übertragbar sind und somit therapeutischen Nutzen bei Diabetes haben könnten, belegte vergangenes Jahr eine Schweizer Studie. Dazu entnahm man gesunden Personen Inselzellen der Bauchspeicheldrüse und regte die aus dem Isolat aufgereinigten a-Zellen zur Überexpression der Transkriptionsfaktoren PDX1 und MAFA an. Und tatsächlich: Nach ihrer Reaggregation begannen die genetisch veränderten a-Zellen in Abhängigkeit von Glucose Insulin zu produzieren.
Anschließend transplantierte man diese gezüchteten „Pseudoinseln“ diabetischen Mäusen. Innerhalb von sieben Tagen nach dem Eingriff verbesserte sich die Glucosetoleranz der Tiere, der C-Peptid-Spiegel stieg und die Blutzuckerwerte sanken in den normoglykämischen Bereich.
Die mikroskopische Analyse der entnommenen Transplantate bestätigte, dass ein Großteil der manipulierten a-Zellen Insulin enthielt (67,9 %). Davon produzierten etwa 10 % gleichzeitig Glucagon. Zudem deutete ein Zytotoxizitätstest darauf hin, dass die reprogrammierten a-Zellen eine höhere Resistenz gegenüber autoreaktiven T-Zellen aufweisen als β-Zellen, was besonders für die Therapie von Typ-1-Diabetes relevant sein könnte. Eine genetische Analyse ergab, dass die Insulin-produzierenden a-Zellen ihre frühere Zellidentität weitgehend bewahrt hatten und vielleicht deshalb von der Immunabwehr verschont blieben. Bis zur therapeutischen Anwendung dieser Erkenntnisse ist es aber wohl noch ein langer Weg. So muss beispielsweise geklärt werden, ob die gezielte Reprogrammierung überhaupt nebenwirkungsfrei möglich ist. Darüber wird eine dauerhafte Einnahme von Immunsuppressiva erforderlich sein. RG
Quelle: Furuyama K et al: Diabetes relief in mice by glucose-sensing insulin-secreting human a-cells. Nature 2019; 567 (7746): 43-8

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