122. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin

Praxis-Depesche 6/2016

Hypertone Kinder – sinnvolle TSH-Grenzen – Screening auf Lungen-Ca

Im Fokus des diesjährigen Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) standen der demographische Wandel und die rasante Entwicklung technischer und pharmakologischer Innovationen, die neue Herausforderungen mit sich bringen. Dazu gehört z. B. das Blutdruckmanagement von Kindern, die immer häufiger unter Hypertonie leiden. Gleichzeitig gilt es, eine Übertherapie – wie bei latenter Hypothyreose – zu vermeiden, und moderne Strategien wie das Bronchial-Ca-Screening per CT sinnvoll umzusetzen.

Laut Daten von Dr. Richard Eyermann, München, kommt arterielle Hypertonie im Kindes- und Jugendalter mit einer Häufigkeit von 4 bis 5% vor. In dieser Altersgruppe sollte die Therapie in erster Linie mit nicht-medikamentösen Maßnahmen erfolgen, durch eine Ernährungsumstellung und Gewichtsreduktion und Steigerung der körperlichen Aktivität durch Ausdauersport und Reduktion des TV- und PC-Konsums. Reichen die Lebensstilmodifikationen nicht aus, ist eine medikamentöse Therapie indiziert.
 
Kindgerechte Antihypertensiva
 
Kinder und Jugendliche mit Hypertonie sollten primär mit langwirksamen ACE-Hemmern behandelt werden (z. B. Enaparil 2,5 - 20 mg/d, zugelassen ab sechs Jahren). Bei Unverträglichkeit kommen AT1-Blocker infrage. Betablocker sollten nur als letzte Option erwogen werden, da sie diabetogen und physisch leistungslimitierend wirken können. Bei Kindern mit renoparenchymatöser Hypertonie sollten Thiazide vermieden werden, ebenso bei obstruktiven Atemwegserkrankungen, bei welchen man auch keine Betablocker einsetzen sollte. Diese können dagegen sinnvoll sein, wenn eine erhöhte Renin- Aktivität vorliegt. Bei Neugeborenen mit Hypertonie kann auf Thiazide, Furosemid oder Propanolol zurückgegriffen werden. Führt auch die Monotherapie nicht zum Therapieerfolg, kann der ACE-Hemmer entweder mit niedrigdosiertem HCT (12,5 - 25 mg/d) oder mit einem Kalziumantagonis ten (z. B. Amlodipin 2,5 - 5 mg/d) erwogen werden. Seit 2015 gibt es aktuelle Referenzwerte für den Blutdruck bei Kindern. Als allgemeiner Zielwert wird ein Blutdruck unterhalb der 90. Perzentile angestrebt, bei renalen Erkrankungen ein niedrigerer Wert (50 - 75. bzw <50. Perzentile ohne bzw. mit Proteinurie).
 
Mehr Toleranz für höhere TSH-Werte
 
Ein Problem – vor allem bei älteren Patienten – ist die oft vorschnelle und unnötige Behandlung der latenten Hypothyreose, betonte Dr. Cornelia Jaursch-Hancke, Wiesbaden. Laut Jaursch-Hancke ist der TSH-Referenzbereich sehr variabel und der ideale „Set-point“ sehr individuell. Nach neuesten Erkenntnissen hängt der TSH-Referenzbereich unter anderem von Alter, Geschlecht und BMI des Patienten ab. Entgegen bisheriger Vermutungen nimmt in höherem Alter das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Mortalität mit höheren TSH-Werten ab. Jaursch-Hancke plädiert daher für mehr Toleranz für einen höheren TSH in dieser Altersgruppe. Eine Datenanalyse von 52 300 Patienten zwischen 2000 und 2009 zeigte, dass als Hauptindikation für eine Thyroxinverschreibung bei latenter Hypothyreose meist Müdigkeit, Gewichtszunahme und Depressionen genannt wurden (19,3%, 14,0% und 5,8%). Der TSH wurde bei 35% der Patienten nur ein einziges Mal bestimmt. Nach fünf Jahren Therapie hatten 10% einen TSH <0,5 mU/l, knapp 6% einen supprimierten TSH <0,1 mU/l. Dabei kommt es vor allem bei Frauen sehr häufig zu einer spontanen Normalisierung des TSH, so Jaursch-Hancke. Ein Fortschreiten der subklinischen zur manifesten Hypothyreose kommt gemäß Studiendaten lediglich bei 1% der Patienten vor. Auch auf die Gedächtnisleistung, die Lebensqualität und das Auftreten von Depressionen hat die latente Hypothyreose keinen Einfluss. Laut Jaursch-Hancke sollte eine latente Hypothyreose erst ab einem TSH >10 mU/l behandelt werden. Nur bei symptomatischen Patienten mit einem TSH 4,5-6 mU/l sollte eine Therapie erwogen werden.
 
CT-Screening beim Bronchialkarzinom – ja oder nein?
 
Mehr Beachtung sollte aus der Sicht von Prof. Hans-Ulrich Kauczor, Heidelberg, der Früherkennung des Bronchialkarzinoms geschenkt werden. Von allen Tumorarten hat es die höchste Sterblichkeit und wird in 70% der Fälle erst in unheilbaren Stadien diagnostiziert. Ein Screening mittels niedrig dosierter CT könnte die Überlebensraten verbessern. In der US-amerikanischen NLST-Studie mit über 53 000 Patienten reduzierte das Screening per CT gegenüber Röntgenthorax die Gesamtmortalität um 6,7% und die Lungenkrebsmortalität um 20%. Laut Kauczor kommt es allerdings auf die adäquate Umsetzung des CT-Screenings an. Hierfür bedürfe es noch eines entsprechenden Risikomodells. Auch sollte das CT-Screening nur an zertifizierten Lungenkrebszentren durchgeführt werden und mit Maßnahmen zur Rauchentwöhnung verbunden sein. Prof. Joachim Ficker, Nürnberg, steht dem CT-Screening dagegen kritischer gegenüber. Aus seiner Sicht sei die Falsch-positiv-Rate mit 96,4% viel zu hoch, die Komplikationsraten hingegen nicht niedrig genug. OH
ICD-Codes: E03.9

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