HIV-Virus

Epigenetik bei HIV-Infektion

Praxis-Depesche 5/2022

Immundysfunktion hinterlässt Spuren trotz früher ART

Im Zuge einer Infektion mit dem humanen Immundefizienz-Virus (HIV) kommt es schon sehr früh zur T-Zell-Dysfunktion und damit verbunden zu einem erhöhten Morbiditätsrisiko und einer Einschränkung der kurativen Möglichkeiten. Eine antiretrovirale Therapie kann die Immundysfunktion zwar umkehren, doch auch bei einem frühzeitigen Therapiebeginn bleiben einige epigenetische und phänotypische Zeichen der Virusinfektion bestehen.
Da bei einer HIV-Infektion u. a. verstärkt Immuncheckpoint-Rezeptoren exprimiert werden, werden derzeit Immuncheckpoint- Inhibitoren, wie man sie aus der Onkologie kennt, als mögliche Therapieoption untersucht. Die Hauptsäule in der HIV-Therapie ist aber bekanntlich die antiretrovirale Therapie (ART). Wird diese noch während der primären HIV-Infektion (PHI) eingeleitet, kann die gestörte T-Zellfunktion weitgehend rückgängig gemacht werden – jedoch nicht vollständig, wie eine Studie aus der Schweiz zeigt.
Das Forschungsteam untersuchte das Immunprofil von 66 HIV-infizierten Männern (durchschnittliches Alter bei TheraSinpiestart 34 Jahre), die ab der frühen PHI mit bis zu drei Jahren ART behandelt wurden, mit dem von nicht HIV-infizierten Kontrollpersonen. Eingeleitet wurde die ART innerhalb von 29 Tagen nach der Diagnose und im Median etwa 52 Tage nach der geschätzten Serokonversion. Die Viruslast bei Baseline lag bei 5,4 log 10 Kopien/ml, die CD4-T-Zellzahl bei 530 Zellen/ml.
Gegenüber den Immunzellen der Kontrollgruppe zeigten die CD8-, nicht aber die CD4-T-Zellen während der PHI eine erhöhte CD38-Expression. Zudem exprimierten die CD4- und CD8-T-Zellen mehr der Immuncheckpoint- Rezeptoren (ICR) PD1, Tim-3 und TIGIT als die gesunden Kontrollzellen.
 
Expressionsprofil und Epigenetik dauerhaft verändert
Die bis zu drei Jahre durchgeführte ART bewirkte, dass sich die Expression von Immuncheckpoint- Rezeptoren zwar teilweise, aber nicht vollständig wieder normalisierte, wobei die jeweilige Expressionsdynamik der einzelnen ICR variierte. So ging die erhöhte CD38-Expression nach drei Jahren ART wieder zurück, wohingegen der Anteil an CD4-T-Zellen mit PD-1-Expression fast uverändert blieb. Zudem wiesen die CD8-T-Zellen bereits früh in der PHI epigenetische Charakteristika auf, wie sie eigentlich für die T-Zell-Erschöpfung bei einer chronischen HIV-Infektion typisch sind.
Selbst wenn die ART noch im Rahmen der PHI begonnen wird und die Immunfunktion weitgehend rekonstituiert werden kann, sind offenbar einige virusbedingte Änderungen auf epigenetischer Ebene nicht mehr vollständig reversibel. OB
Quelle: Martin GE et al.: Epigenetic features of HIV-induced T-cell exhaustion persist despite early antiretroviral therapy. Front Immunol 2021; 12: 647688
ICD-Codes: Z21
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