48. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e.V., DGRh

Praxis-Depesche 11/2020

Interdisziplinär denken, rasch handeln

Rheuma ist eine Krankheit mit vielen Gesichtern. Während der virtuellen Jahrestagung forderten die Experten daher, in der Rheumabehandlung über die Organgrenzen hinweg zu denken und zu diagnostizieren, sowie zügig mit einer potenten Therapie nach dem Motto „Hit hard and early“ zu beginnen.
Was ist wichtig bei der Rheumatherapie in Corona-Zeiten?
Bereits früh im Verlauf der Corona-Pandemie hatte sich die DGRh mit Verhaltens- und Therapieempfehlungen an Rheumapatienten und deren behandelnde Ärzte gewandt. Nun gibt die DGRh in einer aktualisierten Fassung ihrer Therapieempfehlungen weitgehende Entwarnung: Rheumapatienten haben, den bisher zusammengetragenen Daten zufolge, kein erhöhtes Risiko, sich mit SARS-CoV-2 anzustecken. Das Corona-Risiko scheint nur dann erhöht zu sein, wenn die Patienten Glukokortikoide in einer Dosis von zehn Milligramm und mehr pro Tag einnehmen, oder wenn die Erkrankung gerade besonders aktiv ist. In den zehn Kernempfehlungen wird daher der bisherige Rat, eine gut eingestellte Rheumamedikation nicht allein aus Sorge vor COVID-19 zu verändern, wiederholt: „Ein Umstellen der Medikation geht oft mit einem Aufflammen der rheumatologischen Grunderkrankung einher und erhöht das COVID-19-Risiko dann erst recht“, erklärt dazu Prof. Christof Specker, Essen, als Sprecher der Ad-hoc-Kommission COVID-19-Register der DGRh.
 
Rheuma agiert über Organgrenzen hinweg: Auch auf die Lunge achten
Bei vielen Patienten greifen rheumatypische Entzündungen auch auf Organe über und begünstigen Begleiterkrankungen. „Weil Immunzellen und ihre Botenstoffe frei im Körper zirkulieren, können prinzipiell alle Körperbereiche von der Entzündung betroffen sein“, erläutert DGRh-Vorstandsmitglied Prof. Andreas Krause, Berlin. Diese Begleiterkrankungen haben einen erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität der Patienten, den Krankheitsverlauf und die Wirksamkeit der Medikation. „Es wird deutlich, dass Rheumatologen internistisch ausgebildet sein sollten, denn dies ist die notwendige Basis, um bei der Therapie die Begleiterkrankungen mitberücksichtigen zu können“, betont Krause.
Während das erhöhte Osteoporose- oder Infektionsrisiko von Rheumapatienten in der Regel berücksichtigt werde, sei das bei anderen Komorbiditäten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Depressionen seltener der Fall. Auch eine Lungenbeteiligung wird oft lange nicht erkannt. Von großer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die sogenannten interstitiellen Lungenerkrankungen (ILD), die das Binde- und Stützgewebe der Lunge durch permanente Entzündung vernarben lassen. Interstitielle Lungenveränderungen treten oft schon sehr früh im Krankheitsverlauf auf, verursachen aber lange Zeit keine Beschwerden. Daher sollten Patienten mit rheumatoider Arthritis bereits bei der Erstdiagnose und dann in regelmäßigen Abständen wieder auf eine interstitielle Lungenerkrankung untersucht werden, so Krause.
 
Erhalt der Beweglichkeit als oberstes Ziel
Die rheumatoide Arthritis (RA) ist eine Krankheit, die keinen Aufschub verträgt. Sobald die anhaltende Gelenkentzündung sich mit Morgensteifigkeit und Gelenkschmerzen bemerkbar macht, öffnet sich ein therapeutisches Fenster, das sich bereits nach einigen Wochen bis wenigen Monaten wieder schließt. Gerade bei der RA hat sich die Prognose allerdings bei rechtzeitigem Behandlungsbeginn deutlich verbessert. „Bei der rheumatoiden Arthritis sollte möglichst früh mit einer medikamentösen, bei Bedarf sogar mit einer operativen Behandlung begonnen werden“, sagt Dr. Martin Arbogast, Oberammergau, Kongresspräsident seitens der DGRh. Die Möglichkeit zum „Hit hard and early“ ist jedoch nur dann gegeben, wenn die Erkrankung rechtzeitig erkannt wird. Als wesentlicher diagnostischer Marker gelten heute Antikörper gegen citrullinierte Peptide (ACPA), die bereits früh im Blut nachweisbar sind.
Neben der meist sehr wirksamen Behandlung mit Biologika plädiert Arbogast dafür, einzelne Non-Responder-Gelenke frühzeitig zu operieren. Nur durch das Entfernen der entzündeten Gelenkinnenhaut könne verhindert werden, dass die zerstörerische Entzündung auf darunterliegende tragende Strukturen wie den Gelenkknorpel übergreife. Mittlerweile wisse man auch, dass ein solchermaßen saniertes Gelenk auch wieder besser auf eine medikamentöse Rheumatherapie reagiere. AT
ICD-Codes: M06.9

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