Thoraxschmerzen

Praxis-Depesche 3/2018

Keine Diagnose – ungewisses Schicksal

Schmerzen in der Brust können ein Hinweis auf eine Koronarsklerose sein, wie allgemein bekannt. Nach Erhebungen in Großbritannien bleiben diese Schmerzen aber oft ohne diagnostische Konsequenzen. Das birgt Risiken für die Patienten.

Kommentar

Die Studie macht ein Dilemma augenfällig: Welcher diagnostische (oder interventionelle) Aufwand ist bei großen Patientengruppen mit niedrigem Risiko (z. B. für eine KHK) gerechtfertigt? Das Problem stellt sich z. B. auch bei der Primärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen. Im gegebenen Fall muss man wohl akzeptieren, dass Brustschmerzen ohne erkennbare Ursache ein frühes Signal für einen späteren Infarkt sein können.

Holt T: Chest pain in primary care: what happens to the undiagnosed majority? Ebd. 1-2
Im UK kommen jedes Jahr 1 bis 2% der Erwachsenen wegen Brustschmerzen zum Arzt. Dieser diagnostiziert vielleicht Herzinfarkt, Angina pectoris oder eine nichtkoronare Erkrankung, etwa Refluxkrankheit, Bewegungsapparat- Schmerzen oder eine Angststörung. Oft registriert er aber nur das Symptom, ohne es einer Ursache zuzuordnen; weiterführende Untersuchungen werden auf die Fälle beschränkt, in denen eine KHK wahrscheinlich erscheint.
Eine kardiovaskuläre Erkrankung wird bei der nicht zugeordneten Gruppe in 2 bis 10% der Fälle innerhalb von zwölf Monaten diagnostiziert, am häufigsten innerhalb von sechs bis zwölf Wochen. Kardiale Risikofaktoren sind bei diesen Patienten häufiger als bei solchen ohne Brustschmerzen.
Die Relevanz dieses Problems wurde bisher nur unzureichend untersucht. Eine britische Arbeitsgruppe griff die Fragestellung anhand verschiedener elektronischer Datenbanken des UK auf. In die Untersuchung eingeschlossen wurden 172 180 erwachsene Patienten aus 223 Hausarztpraxen, bei denen im Zeitraum 2002 bis 2009 eine erste Episode von Brustschmerzen konstatiert und bei denen eine Diagnose (nicht-koronar oder KHK) oder keine Diagnose gestellt worden war.
Bei der Mehrzahl der Patienten wurde im Rahmen der ersten Konsultation oder in den folgenden sechs Monaten keine Diagnose gestellt. In dieser großen Gruppe traten aber im weiteren Verlauf (fünf Jahre oder mehr) in absoluten Zahlen die meisten Herzinfarkte auf, eben wegen der schieren Größe dieses Kollektivs.
Man sollte sich Gedanken darüber machen, wie man dem kardiovaskulären Risiko dieser Patientengruppe besser gerecht werden kann. Einen Beitrag dazu könnten neue Biomarker des kardiovaskulären Risikos und die Entwicklung neuer Prognosemodelle liefern. WE
Quelle:

Jordan KP et al.: Prognosis of undiagnosed chest pain: linked electronic health record cohort study. BMJ 2017; 357: j1194

ICD-Codes: I20.9

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