Rheumatisches Fieber

Praxis-Depesche 4/2022

Klare Evidenz für sekundäre Antibiotika-Prophylaxe

Die rheumatische Herzkrankheit beschreibt eine chronische valvuläre Herzerkrankung, die durch rheumatisches Fieber im Zuge einer unbehandelten Streptococcus-pyogenes-Infektion entsteht. Die latente Form der Erkrankung wird per Echokardiographie im Kindesalter entdeckt. Auch wenn die Situation dann meist noch klinisch unauffällig ist, lohnt sich eine sekundäre Antibiotika-Prophylaxe.
Da es bisher keine klare Evidenz für die Wirksamkeit einer sekundären antibiotischen Prophylaxe nach Diagnose einer latenten rheumatischen Herzerkrankung gibt, wird sie auch nicht von allen Behandler:innen konsequent durchgeführt. Stattdessen setzen einige lieber auf aktive Überwachung.
Die Evidenzlücke schließt nun eine randomisiert-kontrollierte Studie an Schulen, die im ugandischen Gulu durchgeführt wurde. Insgesamt 916 Kinder und Jugendliche im Alter von fünf bis 17 Jahren mit latenter rheumatischer Herzerkrankung erhielten zwei Jahre lang alle vier Wochen entweder Injektionen von Benzathin-Benzylpenicillin (insgesamt 26 Injektionen) oder keine Prophylaxe. Bei Auftreten allergischer oder anaphylaktischer Reaktionen auf Penicillin wurde die Prophylaxe auf Erythromycin umgestellt.
Primärer Endpunkt war die echokardiographische Progression einer latenten rheumatischen Herzerkrankung nach zwei Jahren. Die Echokardiogramme wurden dabei von einem vierköpfigen Expertenpanel gemäß den 2012 publizierten Kriterien der World Heart Federation beurteilt.
 
Die Progression wird effektiv gebremst
818 Teilnehmer:innen wurden in die modifizierte Intention-totreat- Analyse inkludiert und 799 (399 in der Prophylaxe- und 400 in der Kontrollgruppe) schlossen die Studie ab. Die Antibiotika- Prophylaxe zeigte ganz klar Wirkung: Während es in der Kontrollgruppe bei 33 Proband:innen (8,2 %) nach zwei Jahren zu einer echokardiographischen Progression kam, war dies in der Prophylaxegruppe nur bei drei Kindern (0,8 %) der Fall (Risikodifferenz -7,5 %; 95 %-KI -10,2 bis -4,7; p < 0,001). Eine Regression der rheumatischen Herzerkrankung nach zwei Jahren kam mit oder ohne Antibiotika etwa gleich häufig vor (48,9 % vs. 47,8 %; Risikodifferenz 1,5 %; 95 %-KI -5,4 bis 8,4). Bei zwei Kindern führte die Prophylaxe zu schwerwiegenden Ereignissen, darunter eine leichte anaphylaktische Reaktion, die aber bei weniger als 0,1 % aller verabreichten Dosen auftrat.
Insgesamt zeigen die Ergebnisse deutlich, dass eine sekundäre antibiotische Prophylaxe bei Kindern und Jugendlichen mit latenter rheumatischer Herzerkrankung ein Fortschreiten der Erkrankung ausbremsen kann. OB
Quelle: Beaton A et al.: Secondary antibiotic prophylaxis for latent rheumatic heart disease. N Engl J Med 2022; 386(3): 230-40
ICD-Codes: I00

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