Deutsche Dermatologische Gesellschaft, Berlin, Mai 2001

Praxis-Depesche 17/2001

Kutane Allergien: Fakten und Fiktion

Ökowelle und Wellness-Produkte fordern in Form von Kontaktallergien Tribut. Dagegen werden Allergene aus Lebensmitteln bei Kindern mit atopischer Dermatitis von Eltern oft überbewertet. Mit lokal wirksamen Immunsuppressiva eröffnet sich nach 30 Jahren eine Alternative zu topischen Steroiden.

Allergien nehmen weiterhin zu; derzeit sind rund 12% der Bundesbürger betroffen. Der Anstieg betrifft die klassischen Reaktionen auf Pollen, aber auch Kontaktallergene und aerogen getriggerte Neurodermitis-Schübe. Die Prävalenz des Kontaktekzems liegt nach Prof. J. Brasch, Kiel, bei 1 bis 2%. Die "top ten" in der Hitliste der Auslöser haben sich kaum verändert, wie Epikutantests bei rund 9000 Patienten ergaben: Nickel führt vor Duftstoffmix, es folgen Perubalsam, Thiomersal, Kobaltchlorid, Wollwachsalkohole, Kollophonium, p-Phenylendiamin, Euxyl K 400 und Kaliumdichromat. Zugenommen haben Sensibilisierungen gegen topisches Bufexamac, und ein Aufwärtstrend ist auch bei topischen Steroiden wie Amcinonid zu verzeichnen. Ihren Tribut fordert auch die Öko-Welle: Im vergangenen Jahr wurden 1,8% positive Reaktionen auf Propolis verzeichnet. Ob Kontaktekzeme auf Teebaumöl tatsächlich zunehmen, ist dagegen nicht gesichert. Eindeutig belegt ist inzwischen, dass von den rund 3,5 Millionen Neurodermitikern in Deutschland zumindest ein Teil auch auf Nahrungsmittel- oder inhalative Allergene mit einer Exazerbation der Hauterscheinungen reagiert. Die kutane Reaktion beruht nach Dr. K. Reich, Göttingen, auf der gesteigerten IgE-Beladung der antigenpräsentierenden Zellen, speziell dendritischer Zellen. Es resultiert eine Verschiebung der Immunantwort mit entzündlichem Charakter. Um die quälenden Folgen eines Neurodermitis-Schubs zu beeinflussen, werden seit 30 Jahren Kortikoide eingesetzt, was den behandelnden Arzt aufgrund von Ängsten nicht selten auf eine harte Geduldsprobe stellt. Zur Behandlung der therapieresistenten Neurodermitis ist auch die systemische Gabe von Ciclosporin zugelassen; limitiert wird die Anwendung durch systemische Wirkungen, Toxizität, Rezidive nach Absetzen und Preis. Als wesentlichen Fortschritt werten Experten deshalb die kurz vor der Einführung stehende Lokaltherapie mit Makrolid-Immunsuppressiva von Saccharomyces- und Ascomyces-Spezies. Sie normalisieren die Ausschüttung von Zytokinen und bewirken eine lokale Immunsuppression. Im Gegensatz zu Steroiden kommt es bei Tacrolimus und SDZ ASM 981 nicht zur Hautatrophie. Als häufigste Nebenwirkungen werden brennende Missempfindungen sowie Juckreiz notiert. Tacrolimus zeigt laut Reich eine vergleichbare Wirkung wie systemisches Ciclosporin. Bei Studien mit über 5000 Patienten wurde gute Verträglichkeit registriert. Das Ascomycin-Derivat ist nach Dr. T. Luger, Münster, sicher und effektiv bei atopischem Ekzem, auch bei Kleinstkindern. Es komme zu keiner systemischen Immunsuppression, auch Sensibilisierungen wurden bisher nicht beobachtet. Die Substanz eigne sich darüber hinaus zur Therapie des chronischen Handekzems und führe lokal - auch nicht-okklusiv - bei Psoriasis zu guten Erfolgen. Mit der Zulassung sei in etwa einem Jahr zu rechnen; Tacrolimus ist bereits in den USA und Japan (nicht für Kinder) auf dem Markt. Neue immuntherapeutische Ansätze zur Behandlung der atopischen Erkrankungen in der frühen klinischen Entwicklung sind zahlreich und erstrecken sich über die Inhibition von Interleukin-4 und -5 durch neutralisierende Antikörper, lösliche Rezeptoren bis zur Inhibition von Signaltransduktionswegen. Daneben sind Pilotstudien mit Immunsuppressiva wie Mycophenolat-mofetil oder Leflunomid angelaufen. Das Risiko für Kinder aus Atopiker-Familien, selbst symptomatisch zu werden, ist offensichtlich abhängig von der Manifestation der Sensibilisierung bei den Eltern: Kinder von Ekzematikern sind in dieser Hinsicht stärker gefährdet als der Nachwuchs von Pollinotikern. Wie der Berliner Pädiater Prof. U. Wahn weiter ausführte, ändert eine strikte alimentäre Prophylaxe der Mutter während Schwangerschaft und Stillzeit wenig am Auftreten der Atopie beim Kind - der Zeitpunkt der Manifestation werde lediglich nach hinten verschoben. Strikte Diäten seien deshalb unsinnig. Eltern überschätzen nach Prof. T. Werfel, Hannover, auch die Rolle von Lebensmitteln als Auslöser der atopischen Beschwerden bei Kindern. De facto dürfte nur etwa jedes fünfte Kind von einer Eliminationsdiät profitieren; Hautärzte sollten deshalb eine Überprüfung mit oraler Provokation anbieten, um sinnlose Diäten zu unterbinden. Die "Hitparade" von Nahrungsmittel-Allergenen bei Kindern führen Hühnereiweiß und Kuhmilch an. Nicht selten sind laut Werfel klassische IgE-vermittelte Überreaktion bei Neurodermitis-Kindern auf Soja; Produkte aus Soja sind deshalb ungeeignet als "hypoallergener" Milchersatz. Endlich widerlegt ist die immer wieder vertretene Ansicht, wonach Zucker ein Schubfaktor bei Neurodermitis sein soll. In einer umfassenden wissenschaftlichen Untersuchung in Berlin zeigte sich nach Eliminationsdiät und anschließender Provokation mit 100 g Saccharose (Haushaltszucker) im Vergleich zu Plazebo keine Verschlechterung der Ekzeme.

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