Watchful waiting statt Operation?

Praxis-Depesche 11/2015

Management von Leistenbrüchen

Zertifizierte Fortbildung

Das Lebenszeitrisiko, einen Leistenbruch (Hernia inguinalis, Hernia femoralis) zu entwickeln, beträgt für Männer 27% und für Frauen 3%. Die Herniorrhaphie ist einer der häufigsten operativen Eingriffe. Aber ist der Reflex „Leistenbruch gleich OP“ überhaupt evidenzbasiert? Eine aktuelle Literaturübersicht gibt Antworten.

Die Häufigkeit von Leistenbruchoperationen variiert zwischen den Ländern deutlich: Im UK werden zehn Eingriffe an der Leiste pro 100 000 Einwohner durchgeführt, in den USA 28/ 100 000. Damit ist der Eingriff eine der häufigsten chirurgischen Interventionen überhaupt. Leistenbrüche entstehen häufiger rechts als links und sind bei Männern zehn Mal häufiger als bei Frauen. Indirekte Brüche kommen doppelt so häufig vor wie direkte. Ein dänisches Register konnte zeigen, dass Hernien im frühen und hohen Alter ein Häufigkeitsmaximum aufweisen. Bei Erwachsenen nimmt die jährliche Frequenz mit dem Alter stetig zu und beträgt 0,25% mit 18 Jahren und 4,2% mit 75 bis 80 Jahren. Femoralhernien machen nur 5% aller Leistenbrüche aus, werden aber in 35 bis 40% erst diagnostiziert, wenn bereits Inkarzeration oder Darmverschluss vorliegen.
Leistenhernien bestehen aus drei Komponenten: Hals (Öffnung/Bruchlücke in der Bauchwand), Bruchsack (Peritonealprotrusion durch die Bruchlücke) und Bruchinhalt (jegliches Gewebe, z. B. Darm, der durch den Hals in den Bruchsack prolabiert). Die Bauchwand besteht in der Leistenregion aus Peritoneum, Fascia transversalis, M. obliquus internus und externus mit Aponeurosen, Subkutis und Haut. Wenn die Fascia transversalis den Inhalt der Abdominalhöhle nicht mehr ausreichend von der Protrusion abhält, ensteht der Bruch.
 

Anatomie mit klinischer Relevanz

Man unterscheidet Inguinal- und Femoralhernien. Inguinalhernien können direkt oder indirekt sein; beide prolabieren oberhalb des Leistenbandes (Lig. inguinale), wobei die direkte Hernie medial und die indirekte lateral der A. und V. epigastrica inferior entsteht. Eine Hernia femoralis drängt sich unterhalb des Lig. inguinale durchs Gewebe.
Man kennt zahlreiche Risikofaktoren für die Entstehung von Leistenbrüchen. Neben männlichem Geschlecht und Alter sind dies eine Hernien- Familienanamnese, COPD, Rauchen, niedriger BMI, hoher intraabdominaler Druck, Kollagenerkrankungen, Thorakal- und Abdominalaneurysma, offener Processus vaginalis, Z. n. offener Appendektomie und Peritonealdialyse. Ob schweres Heben und Tragen ein Risiko darstellt, ist nicht völlig klar.
 

Ein Drittel ohne Symptome

Etwa 33% aller Leistenhernienpatienten haben keine klinischen Beschwerden. Wenn überhaupt, dann klagen die Betroffenen über ziehende Schmerzen, Brennen oder spitze Schmerzen. Diese Beschwerden können bei Belastung erscheinen oder sich durch diese aggravieren: Husten, Defäkation, Miktion, Sport, Geschlechtsverkehr. Typischerweise nehmen die Symptome gegen Abend hin zu und werden nach dem Hinlegen besser. Auch die manuelle Reposition des Bruchsackes mit seinem Inhalt bessert die Beschwerden in der Regel. Wenn der Schmerz plötzlich stark zunimmt, kann es sich um eine Strangulierung handeln, welche einen chirurgischen Notfall darstellt.
Die Diagnose wird klinisch gestellt durch Palpation einer (bei Husten weiter hervortretenden) Masse im Leistenring. Man muss nicht zwischen direkter und indirekter Hernie unterscheiden, denn das therapeutische Management ist dasselbe. Eine Unterscheidung zwischen Hernia inguinalis und femoralis wäre wegen der höheren Komplikationswahrscheinlichkeit der Letzteren wünschenswert, ist aber in der klinischen Praxis nicht immer möglich. Eine Bildgebung ist nur sinnvoll, wenn eine Diskrepanz zwischen Symptomen und Palpationsbefund besteht. Differenzialdiagnostisch sollte man denken an: Lymphadenopathie, Weichteiltumor, Abszess, Hydrozele, Hodentumor, Epididymitis, Hüftarthrose, Tenosynovitis, Nervenwurzelkompression, Pubalgie, femorales acetabuläres Impingement, Adductor- longus-Tendinopathie.
 

Wann besteht eine OP-Indikation?

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