American College of Cardiology, Chicago, 2003

Praxis-Depesche 11/2003

Medikamente in den Startlöchern

Schon bald werden neue Medikamente die kardiovaskuläre Therapie bereichern. Etwa für Postinfarkt-Patienten oder für die orale Antikoagulation beim Vorhofflimmern wurden bei der ACC-Tagung in Chicago Studien mit viel versprechenden Wirkstoffen vorgestellt.

Man nennt sie die "Big Four", die vier Medikamente, die jeder Postinfarkt-Patient bekommen sollte: ASS, Betablocker, Statin und ACE-Hemmer. Schon bald spricht man vielleicht von den "Big Five". Denn nach den Ergebnissen der EPHESUS-Studie gehört demnächst auch der selektive Aldosteron-Antagonist Eplerenon dazu. Schon seit der RALES-Studie weiß man, dass Aldosteron-Antagonisten die Sterblichkeit bei Herzinsuffizienz reduzieren. Doch wird das in RALES getestete Spironolacton oft schlecht vertragen. Eplerenon hemmt selektiver als Spironolacton nur den Mineralokortikoid-Rezeptor und hat daher weniger unerwünschte Effekte. In EPHESUS erhielten 6600 Infarktpatienten mit einer EF unter 40% im Mittel ab dem siebten Tag nach Infarkt zusätzlich zur Basismedikation Plazebo oder Eplerenon. Nach im Mittel 16 Monaten hatte Verum das Sterberisiko um 15% gesenkt. Wie Studienleiter Prof. Bertram Pitt, Ann Arbor/Michigan, in Chicago sagte, bedeutet dies, dass ein Todesfall verhindert wird, wenn man man 50 Postinfarktpatienten ein Jahr lang mit Eplerenon behandelt. Ein neues Medikament soll auch die orale Antikoagulation in der Praxis entscheidend erleichtern: Ximelagatran ist der erste orale Thrombin-Inhibitor. Der große Vorteil zu den Cumarin-Derivaten ist, dass beim Ximelagatran die Notwendigkeit der individuellen Dosierung entfällt. Nach dem Motto "one size fits all" kann jeder Patient die gleiche orale Dosis von 36 mg zweimal täglich erhalten. Es ist kein Monitoring der INR notwendig, betonte der Leiter der SPORTIF-III-Studie, Prof. Jonathan L. Halperin, New York, beim ACC-Kongress. In SPORTIF-III wurde bei 3400 Patienten mit Vorhofflimmern der neue Thrombin-Inhibitor in Einheitsdosierung randomisiert gegen eine individuell titrierte Warfarin-Therapie getestet. Tendenziell verhinderte der neue Wirkstoff sogar mehr Schlaganfälle und systemische thromboembolische Ereignisse. Auch im Hinblick auf unerwünschte Ereignisse schnitt die Ximelagatran-Gruppe eher günstiger ab. Der Hersteller will den Wirkstoff noch in diesem Jahr, sobald eine weitere Studie, SPORTIF V, abgeschlossen ist, zur Zulassung einreichen. Die wohl am meisten Aufsehen erregende Studie beim ACC war ASCOT, eine Meilenstein-Studie, in der über 10 000 Hypertoniker mit unauffälligen Cholesterinwerten in der Primärprävention mit 10 mg Atorvastatin oder Plazebo behandelt wurden. Wegen des deutlichen Nutzens der Statintherapie wurde die Studie nach 3,3 Jahren vorzeitig abgebrochen. Der Nutzen der Therapie zeigte sich früher als in anderen Statin-Studien, was Prof. Björn Dahlöf, Göteborg, auf die rasche und ausgeprägte Cholesterinsenkung durch Atorvastatin zurückführte. Hätte die Studie wie geplant fünf Jahre gedauert, wäre das KHK-Risiko um etwa 50% gesenkt worden, spekulierte er. - Der Nutzen der Atorvastatin-Therapie war übrigens unabhängig vom AusgangsCholesterin. Dass Statine noch deutlich mehr können als Cholesterin senken, darauf gibt es Hinweise aus zwei Fall-KontrollStudien. Nach diesen Daten bekommen Patienten, die ein Statin nehmen, seltener Vorhofflimmern und haben zudem ein besseres psychisches Befinden. Beides schließt Dr. Charles M. Blatt, Boston, aus den Daten von 450 KHK-Patienten, die er prospektiv über fünf Jahre beobachtet hat. Das relative Risiko, während dieser Zeit Vorhofflimmern zu entwickeln, war in der Gruppe der Statin-Behandelten um 5% geringer. Positiv wirkte sich die lipidsenkende Behandlung auch auf das Wohlbefinden der Patienten aus. Sie schnitten in den regelmäßig erhobenen Scores für Ängstlichkeit, Depressionen und feindseliges Verhalten deutlich besser ab als die unbehandelten. Den Zusammenhang bestätigt fand Blatt auch dadurch, dass - setzte man das Statin etwa wegen Nebenwirkungen ab - sich die Patienten relativ schnell im Depressionsscore dem Niveau der Gruppe ohne Statinbehandlung anglichen. Mit Rosuvastatin soll jetzt ein besonders potenter Cholesterinsenker eingeführt werden. In Holland ist Rosuvastatin bereits zugelassen, in Deutschland ist der neue Wirkstoff aber bislang noch nicht auf dem Markt. Für Furore sorgte eine deutsche Studie. Sie widerspricht einer kürzlich publizierten Schweizer Studie, nach der Folsäure in Kombination mit den Vitaminen B6 und B12 gegeben, nach einer PTCA das Risiko halbiert, dass das Gefäß sich wieder verschließt. Aufgrund der Schweizer Studie hatte man in einigen Herzzentren bereits begonnen, PTCA-Patienten routinemäßig Folsäure zu verabreichen. In der deutsche FACIT-Studie hatten die Folsäure-Behandelten jetzt aber sogar häufiger Restenosen als die Unbehandelten. Der Bremer Kardiologe Dr. Helmut W. Lange warnte jedoch davor, die Folsäuregabe bei hohem kardiovaskulären Risiko nun zu verdammen. Die Homocystein-Senkung könne sich langfristig durchaus günstig auf das kardiovaskuläre Risiko auswirken, betonte er.

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