Seit knapp vier Jahren sind medizinische Cannabisblüten und -zubereitungen auf Kassenrezept für schwerkranke Patient:innen verfügbar. Da allerdings weiterhin eine breite Verunsicherung im Einsatz von Cannabinoid – Wirkstoffen in der praktischen Medizin herrscht, hat die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) in einer Praxisleitlinie von 2018 Indikationen definiert, bei denen eine Cannabis-Therapie sinnvoll sein kann. Bei chronischem Tumor- und Nichttumorschmerz, neuropathischem Schmerz sowie MS-induzierten Spastiken sei der Nutzen von medizinischem Cannabis mittlerweile gut belegt, erklärte Dr. Johannes Horlemann, Präsident der DGS, auf einer Presseveranstaltung von Demecan. Die zugrundeliegenden Daten stammen aus großen doppelblinden, randomisierten Studien, weshalb Medizinalcannabis in diesen Indikationen den höchsten Empfehlungsgrad hat. Bei Untergewicht, Kachexie und Appetitlosigkeit (etwa im Rahmen einer HIV-Erkrankung), Morbus-Crohn-Beschwerden sowie chemotherapiebedingter Übelkeit konnte die Wirksamkeit von Cannabinoiden in mindestens einer randomisiert-kontrollierten Studie belegt werden (Empfehlungsgrad B).
Schlechter ist die Datenlage zu viszeralem und rheumatischem Schmerz, Fibromyalgie sowie schmerzbedingten Schlafstörungen, weshalb die DGS in diesen Fällen den Empfehlungsgrad C ausgesprochen hat. Positive Effekte seien zwar in einer Vielzahl kleinerer Studien beschrieben worden, berichtete Horlemann, größere randomisierte Untersuchungen fehlten jedoch. „Gerade bei der Fibromyalgie könnte die Evidenzqualität allerdings bald höhergestuft werden.“ So bewirkte eine Cannabis-Therapie bei Fibromyalgie-Patient:innen in einer vergangenes Jahr veröffentlichten prospektiven Kohortenstudie eine fast 80 %-ige Verbesserung der Parameter „Schmerz“ und „Schlaf“, unabhängig von der Applikationsform.
Gute Schmerztherapie: Mehr als Mittelwert und Signifikanzlevel
In der Schmerz- und Palliativmedizin handelt es sich Horlemann zufolge häufig um hochindividuelle Problemstellungen, die auch in qualitativen Studien oft nur unzureichend abgebildet werden können. Jenseits der „herkömmlichen“ evidenzbasierten Medizin sei der Behandler deshalb dazu aufgerufen, „mit Intuition und klugen Entscheidungen“ im Sinne von Patient oder Patientin vorzugehen. „Dabei kommt uns die Therapie mit Cannabinoiden sehr entgegen, weil das breite Wirkspektrum und das günstige Nebenwirkungsprofil bei den Patient:innen sehr willkommen sind.“ Das sei nicht zuletzt eine gute Grundlage für die Therapietreue, die unter Cannabinoiden nachweislich höher ist als unter Opioden. „Etwa 15 % der Patient:innen berichten zu Beginn der Cannabinoid-Therapie von Nebenwirkungen wie Schwindel und Euphorisierung. Diese verlaufen jedoch mild und sind vorübergehend.“ Allerdings sollte eine Verschreibung nur bei genauer Kenntnis der Kontraindikationen erfolgen. Wegen der Gefahr von Psychosen rät Horlemann etwa bei Jugendlichen von Cannabinoiden ab.
Medizinalcannabis nach höchsten pharmazeutischen Standards
Anfang März verkündete Demecan die Markteinführung der Cannabisblüte DEMECAN 20:01 Florestura, einer THC-reichen Blüte mit Sativa-Dominanz, hergestellt durch einen australischen Lieferanten, entsprechend den Regularien der Good Agricultural and Collection Practice (GACP) und Good Manufacturing Practice (GMP). Demecan ist der einzige deutsche Betrieb, der im Auftrag des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) medizinisches Cannabis national anbauen darf. Um die Konsistenz des Produktes und des Wirkstoffgehaltes zu garantieren, deckt das Unternehmen die gesamte Produktionskette vom Anbau bis zur Weiterverarbeitung ab. „Jeder Prozessschritt erfolgt in geschlossenen Räumen unter streng kontrollierten Rahmenbedingungen, was Kontaminationen durch Schädlinge und Schimmelsporen verhindert“, erklärte Dr. Constantin von der Groeben, Mitbegründer von Demecan. Durch den Indoor-Anbau könnten zudem äußere Parameter genau kontrolliert werden, wie Licht, Luftfeuchtigkeit und CO2-Gehalt.
Noch dieses Jahr will das Unternehmen seine Produktionsstätte in Ebersbach bei Dresden in Betrieb nehmen und Medizinalcannabis „made in Germany“ anbieten. RG