Prospektive Pilotstudie

Neuro-Depesche 7-8/2016

Mit Elektrostimulation gegen Obstipation

Eine chronische Obstipation hat bei MS-Patienten eine Prävalenz von bis zu 43% – und sie beeinträchtigt die Lebensqualität oft ganz erheblich. Diätische Maßnahmen, Abführmittel oder Einläufe helfen nicht immer. Forscher aus Birmingham beschäftigten sich daher in einer prospektiven Pilotstudie mit der Frage, ob die funktionelle elektrische Stimulation (FES) der Bauchmuskulatur die Symptome lindern kann.

Kommentar

Trotz der geringen Fallzahl in dieser Studie erscheint die einfach vom Patienten anzuwendende, nicht-invasive FES als eine ausgesprochen wirksame und dabei sichere Methode, um eine schwere chronische Obstipation bei MS-Patienten zu verringern. Die Effekte sollten nun randomisiert und mit größerer Fallzahl überprüft werden.

In einem Fallbericht hatten die Ärzte schon einmal von einer Verbesserung einer schweren chronischen Obstipation durch die FES der Abdominalmuskulatur berichtet. In einer explorativen Studie mit vier betroffenen Frauen im Alter von 45–58, durchschnittlich 53,2 Jahren, die im Schnitt seit 22,7 Jahren an einer MS erkrankt waren, überprüften sie nun die Methode.
Primärer Endpunkt war die Transitzeit durch den Dickdarm (Colonic transit time, CTT) bzw. den gesamten Darm (Whole gut transit time, WGTT). Dafür verwendeten sie eine oral zugeführte, durch den Darm wandernde SmartPill® . Sekundärer Endpunkt war u. a. die Veränderung der spezifischen Lebensqualität nach dem Questionnaire Patient Assessment of Constipation Quality of Life (PAC-QOL).
Für die FES (40 Hz, Pulsdauer: 330 μ, 40–50 mA) wurden die Elektroden an den Bauchmuskeln mit der stärksten auslösbaren Kontraktion positioniert. An den ersten beiden Tagen stimulierten sich die Patienten zweimal täglich 15 Min. und für die restlichen sechs Wochen zweimal täglich 30 Min. lang. Am Morgen der Untersuchung nahmen alle Frauen ein standardisiertes Frühstück (SmartBar®) mit einer festgelegten Menge von Protein, Kohlenhydraten, Fett und Flüssigkeit zu sich, in den folgenden sechs Stunden aber keine weitere Nahrung.
Die FES verbesserte die Darmaktivität deutlich: Lag die WGTT zu Beginn noch zwischen 118 und 201 h, sank diese nach sechswöchiger Stimulation auf 70 bis 146 h, im besten Fall betrug die Reduktion 50%. Auch die CTT ging von 109 bis 190 h auf 55 bis 128 h zurück, mit einer maximalen Abnahme um 53%. Tatsächlich näherten sich beide Werte denen Gesunder von 73 (WGTT) bzw. 59 h (CTT).
Dabei gaben die Patientinnen an, ihre Essgewohnheiten im Verlauf der Studie nicht verändert zu haben. Mit der Verbesserung der Darmtransitzeiten ging auch die Menge an eingenommenen Laxanzien zurück – und infolge der besseren Verdauung zeigten die Patientinnen zudem einen klinisch relevanten Anstieg der Lebensqualität: Die Scores des PAC-QOL verbesserten sich von 1,14 bis 1,86 Punkte vor der FES auf 0,53 bis 1,15 Punkte nach sechswöchiger Behandlung. Es wurden keinerlei Nebenwirkungen der FES beobachtet. NW
Quelle:

Singleton C et al.: The efficacy of functional electrical stimulation of the abdominal muscles in the treatment of chronic constipation in patients with multiple sclerosis: a pilot study. Mult Scler Int 2016: 4860315 [Epub 20. April; doi: 10.1155/2016/ 4860315]

ICD-Codes: K59.-

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