Mit Sahneschäumer zur Sucht

Ein ansonsten gesunder 37-jähriger Mann stellte sich mit aufsteigenden Parästhesien der Hände und Füße, Verstopfung und Dranginkontinenz bestehend seit etwa drei Wochen beim Arzt vor. Auf genaueres Nachfragen gab er an, seit 20 Jahren Lachgas (Distickstoffoxid) aus kleinen, normalerweise zur Sahneaufschäumung benutzten Gaspatronen, wie sie im Handel käuflich sind, täglich zu inhalieren. Diesen "Gas-Abusus" steigerte er in den letzten Monaten auf bis zu 50 Patronen täglich. Bei der körperlichen Untersuchung war er agitiert und ängstlich, sein Gangbild ataktisch mit einer pyramidalen Schwäche der unteren Extremität ohne jegliches sensorisches Defizit. N2O führt zur irreversiblen Oxidation des Cobalt-Atoms im Vitamin B12 und inaktiviert dieses dadurch. Der resultierende Vitamin-B12-Mangel kann zur Rückenmarkschädigung insbesondere der dorsalen Bahnen mit den oben beschriebenen Symptomen führen. Therapeutisch wird in erster Linie die Vitamin-B12- und Folsäuregabe eingesetzt. Da auch immer autoimmune oder gastrointestinale Erkrankungen zum Suchtverhalten hinzukommen können, wird die Durchführung einer Antikörperbestimmung gegen den Intrinsic-Faktor und gegen Parietalzellen neben dem klassischen Schilling-Test empfohlen. Beschrieben wurde diese Krankheitsentität nicht nur bei Patienten mit Suchtverhalten, sondern auch bei Krankenhauspersonal, das am Arbeitsplatz Narkosegasen ausgesetzt war. (CB)